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Musikalische Müllwerker

■ Musikfest: „Stomp“, ein Rhythmikal in Springerstiefeln

„Stomp“ - ein Begriff, der so nicht im Lexikon steht. Doch es braucht keine großen Englisch- Kenntnisse, um zu merken, daß es bei der Mischung aus Hip-Hop-Sound, Tanz und Rhythmus um die brachiale Energie, die in den Beinen steckt, ums Stampfen geht. Eigentlich jedoch buchstabiert sich „stomp“ wie das schöne deutsche Wort Erfolg. Auch wenn die Gage für acht Tänzer an acht Abenden hoch ist. „Eine Summe mit sechs Stellen und einer zwei an der ersten Stelle“ geheimniste Hannes Nimpuno vom Musica Vera-Musikverlag um die 200.000 Mark herum. Eigentlich müßte die Rechnung aufgehen. Denn schon im Vorfeld der acht Bremer Aufführungen, die heute im Rahmen des Musikfestes im Pier 2 beginnen, hat die Konzertagentur 73 Prozent der 30 bis 80 Mark teuren Karten verkauft. Eine Ausgangsbasis, die so positiv ist, daß die bewilligte Ausfallbürgschaft des Wirtschaftsförderungsausschuß in Höhe von 150.000 Mark hoffentlich nicht in Anspruch genommen werden muß.

„Pop für die Ohren, Rhythmus für das Auge und Theater für die Füße“ nennt Stomp-Gründer Steve McNicholas die Idee des ungewöhnlichen Events, das als „Rhythmical“ eine neue Gattung begründen will. Für gelungen hält „stomp“ selbst ihre Auftritte, wenn die Besucher nach dem Konzert gegen Türen und Abfallkörbe schlagen. Denn schließlich sind das -neben 84 Besen, 74 Eisenstangen und 56 Eisenfässern - die „Instrumente“, mit denen die acht Akteure jeden Abend die 110minütige Show bestreiten. Werbung brauchten „stomp“ dafür eigentlich nicht mehr zu machen; schließlich springen sie seit Monaten in dem „Always Coca Cola“ Werbe-Clip gegen Eiswände. Das paßt ins Konzept. Denn mit der Mischung aus rauher Arbeiter-Ästhetik und hochartifiziellem Rhythmus, die sich aus amerikanischem Hip-Hop, afrikanischem Burundi-Drumming und japanischem Kode-Trommeln speist, schlagen sie gleich zwei Fliegen mit ihren schweren Springerstiefeln. Die Anknüpfung an die internationale Jugendkultur senkt die Schwellenangst und schafft breite Akzeptanz bei Publikumsschichten, die bislang nicht zum Musikfest kamen. Plötzlich tragen Inline-Skater, Hip-Hopper und die Künstler von „stomp“ das gleiche aggressive outfit aus grober Arbeitshose, schweren Stiefeln und Pudelmützen. Dieser Trend zur Brachial- Ästhetik hat sich in der internationalen Tanztheaterszene längst durchgesetzt, ist von Israel bis Belgien zu sehen. Da die Rhythmiker mit ihren internationalen Einflüssen auch musikalisch den Anschluß halten, sind sie für Thomas Albert, den Leiter des Musikfestes auch ästhetisch interessant. So sehr, daß er glaubt, sie lösten gar seinen Crossover-Gedanken, den er seit Jahren beim Musikfest verfolgt, ein. Er verstieg sich sogar zu der Einschätzung: “Endlich werden die Verkrustungen der klassischen Musik aufgebrochen und das transportiert, was alle Musik im Innersten ausmacht: Rhythmische Energie.“ Den Beweis, ob dies gelungen ist, haben die seit 1991 erfolgreichen Künstler ja selbst definiert - wenn das Publikum mitgeht, und auf dem Heimweg auf all das trommelt und schlägt, was metallische Resonanz erzeugt. Wie wäre es mit Klangexperimenten an den Edelkarossen der Musikfestbesucher? rau

„Stomp“ stampfen vom 7.9. bis zum 14.9. tägl. um 20 Uhr im Pier 2

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