: Musik zur Zeit
Spaß durch Natriumglutamat: Die kalifornische Skaterock-Band OPM im ColumbiaFritz
Stell dir vor, es ist eine Bullenhitze draußen und die Leute haben fast nichts an. Du sitzt nachmittags um vier in einer dieser Bars, die aussehen wie Hawaiitouristenfallen: billige Bambusimitationen vor der Thekenwand, Luftgirlanden an der Decke, ausgestopfte Papageien an allen Ecken und Enden. Fette, bierbäuchige Typen hängen auf ihrem Barhocker. In der linken Hand haben sie einen Drink plus Strohhalm und massig Obst obendrauf, mit der rechten wischen sie sich dauernd den Schweiß von der Stirn. Sobald sich die Bedienung umdreht, stieren sie glubschäugig auf deren Hintern.
Ein Ventilator dreht langsam seine Runden, und es ist, als sei die Zeit stehen geblieben. Im Hintergrund aber läuft Rockmusik, die eine Superstimmung suggeriert: lustig, uplifting, mal Reggae-Einsprengsel, mal Bläser und Ska, alles Ohrwürmer. Die Musik stammt von einem jungen kalifornischen Trio namens OPM. Passend für alle Altersgruppen und zu jeder Gelegenheit? Designed for your pleasure? Bloß sieht es so aus, als wäre entweder die Musik am falschen Ort oder das Publikum zu derangiert. Niemand hier hat gute Laune. Wer so gnadenlos gut gelaunt sein will, erreicht oft das Gegenteil. Seltsam schwer und trübe werden die Gedanken. Die Menschen sind einsam, jeder für sich und alle für keinen. Der Sound hört sich plötzlich an, als wäre er aus lauter verschiedenen Natriumglutamatsorten zusammengebraut worden: ein chemischer Stoff, mit dem man jede noch so fade akustische Kost geschmacklich aufwerten kann; reines Aroma plus null Nährwert. OPM sind hier am falschen Platz, sie sollten dort spielen, wo sich junge und frische Leute treffen: Skater, HipHopper und Surfer.
Es wird Zeit zu gehen. Szenenwechsel. Neuer Laden: ein Teeniecafé irgendwo am Rande der Stadt, es ist früher Abend und ziemlich voll. Junge Leute stehen rum, schwätzen, trinken, rauchen, lachen. In den TV-Monitoren über ihnen ist MTV-Primetime: Blink 182, danach die neue REM und schließlich OPMs „Stash up“. Ein paar Mädchen schauen auf und erkennen ihre neuen Lieblinge: „Hey, Steffi – da ist Matthew, ist er nicht süß, viel besser als John von Blink 182, sag ich dir.“
„Naaa, so toll find ich den ja nicht, aber das Lied ist echt geil, vielleicht sollten wir uns doch von deiner Mama aufs Konzert fahren lassen.“
„Ach, die sind doch doof“, sagt darauf Regine.
„Tu nicht so, Tommy fährt hin und dein Hannes auch“.
„Geil, au ja, lasst uns hinfahren. OPM sind echt scharf. Denk doch mal nur an die ganzen Skaterboys die da rumlaufen, wir moshen mal wieder richtig ab.“
Dana prüft im Spiegel gegenüber ihr Make-up und ob der neue Schnitt noch sitzt. Durch den Spiegel fixiert sie mit ihrem Blick Hannes, der bei seinen Kumpels an der Theke lehnt. Hannes kommt rüber zu den dreien. „ André und ich gehen morgen zu OPM, wir haben noch Karten, habt ihr Bock mitzufahrn?“ Aber sicher doch.
PETER KÄMMERER
Heute ab 20.30 Uhr, ColumbiaFritz, Tempelhofer Damm 9–11
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