Treiben heute Abend Schweiß auf die Stirn und den Beat in die Lenden: Mando Diao und The Magic Bullet Theory im Molotow : Musik aus Kennedys Kopf
Im April 1962 öffnete an der Großen Freiheit ein Club. Vor der Tür behauptete ein Schild: „Die Not hat ein Ende – Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei“. Auftreten sollte eine Band namens The Beatles.
In Not war der Planet tatsächlich: Das US-Militär spionierte im Herbst des gleichen Jahres auf Kuba sowjetische Raketen aus, John F. Kennedy ordnete eine Seeblockade an, Weltkriegsgefahr schwelte über dem Golf von Mexiko. Und zwölf Monate später durchlöcherte in Dallas eine Kugel den Kopf des Präsidenten.
Um dieses Stück Metall ranken sich bis heute allerlei Gerüchte und Theorien. Viele sprechen von der Magic Bullet Theory, nach der die Kugel Kurven fliegen und damit magische Fähigkeiten gehabt haben musste, um den Schaden anzurichten, den sie angerichtet hat. Manche behaupten, die CIA selbst sei Schuld am Loch in JFK. So weit, so verschwörungsideologisch. Aber für welchen Schaden will wohl eine Rockband aus Kopenhagen sorgen, die sich vierzig Jahre später dieses Wortspiel als Namen aussucht?
Das Quartett faucht jedenfalls gut los, brüllt und bluest sich durch seine Songs, mit dem Sixties-Beat im Arsch und dem Seventies-Punk auf der Hüfte. „Hey-yeah-one-two-three-four“, die Stimmen schwappen zum lustig klimpernden Schellenkranz über. Und alles, was bei dieser Magic Bullet Theory aus der Stirn wieder austritt, ist Schweiß. Mit fieser Wut knallen sie einen rockhistorischen Dominostein an den anderen, und kein Mensch weiß, was Pose, was Zitat, was Satire ist – oder was tatsächlich nur bei den Rolling Stones, der Band, die sich 1962 gründete, geklaut wurde.
In diese Bredouille bringen einen Mando Diao gar nicht erst: „Wir glauben ehrlich, dass unsere Platte besser ist als alles von The Who. Es ist sogar eine rundere Sache als viele Alben der Beatles oder Stones.“ Beängstigend ist, dass die fünf Schweden nicht so ganz unrecht haben. Ihre grenzenlose Selbstüberschätzung käme hin, wenn sie ihren hinreißenden Sound von vorgestern auch selbst erfunden hätten. Wenn Bring‘ Em In 1962 erschienen wäre, nicht 2004. Aber dann kämen sie auch in den Starclub und nicht ins Molotow.
So bleibt zu hoffen, dass die beiden Combos mit ihrem stürmischen Getue etwas anderes vorhaben, als bloß Munitionstheorien zu erdenken oder die Zeit der globalen Doofmusik zu beenden. Die Not hat nämlich keinesfalls ein Ende. Markus Flohr
Heute, 21 Uhr, Molotow