Museumshype: Schlange trifft Saurier
Die neue Ausstellung im Naturkundemuseum ist ein voller Erfolg. Früher interessierten sich nicht viele für die Sammlung. Heute kommen Tausende aus ganz Deutschland, um die Dino-Knochen zu sehen. Und müssen erst mal warten.
Das Naturkundemuseum in der Invalidenstraße beherbergt mehr als tausend Arten von preparierten Schlangen. Große und kleine, giftige und ungefährliche. Eine neue hat sich erst vor kurzem dazugesellt. Sie ist nicht im Inneren des Museums zu bestaunen, sondern zieht sich vom Eingangsbereich bis hinaus auf die Straße. Vor allem Eltern mit ihren Kindern stehen geduldig hintereinander auf dem Bürgersteig, rücken Schritt für Schritt nach vorne. Erwartungsvoll richten sie ihren Blick immer wieder zur Eingangstür des Museums, das nach zweijähriger Renovierungspause nun wieder geöffnet hat.
Ein Grund für den großen Andrang ist die Rückkehr der Dinosaurier, deren Skelette jetzt in voller Größe zu besichtigen sind. Vor dem Umbau kamen täglich 800 Besucher. Nach Angaben der Pressesprecherin Amelie Wachner ist die Zahl nach der Eröffnung Mitte Juli auf 4.000 gestiegen. Die Kassiererin Silvia Jungherr kann den schon seit Tagen anhaltenden Ansturm nicht verstehen. "Viele haben Angst, dass es nur eine Sonderausstellung ist, dabei wird uns der Saurier doch noch die nächsten Jahre erhalten bleiben."
Mit Bus und Bahn kommen die Gäste aus ganz Deutschland angereist. Besonders die Kinder in der Schlange freuen sich, die Dinosaurierknochen zu sehen, die sie oft nur aus Büchern kennen. Auch wenn viele Besucher eine halbe Stunde warten müssen, bleiben die meisten gelassen. Dieter Schlunk aus Jüterbog findet, die Schlange sei doch ein gutes Zeichen. "Das zeigt doch nur, dass sich die Leute für die Ausstellung interessieren." Jürgen Warsow aus Brandenburg erinnert das Ganze an alte Zeiten: "Wir sind aus dem Osten. Sobald sich eine Schlange bildete, gab es immer etwas Interessantes zu sehen oder zu kaufen."
Viele erwachsene Besucher wollen nicht nur den Brachiosaurus in der Haupthalle sehen, sondern auch die vielen Exponate drum herum. Zum Beispiel Diana Erich aus Erfurt. Bekannte haben ihr von dem Raum vorgeschwärmt, in dem die Entstehung der Erde gezeigt wird. Das will sie auf jeden Fall mit ihrem Sohn besichtigen. Auf der Wiese neben der Schlange sitzen Kinder und lutschen Eis. Verkäufer haben das Geschäft mit den Wartenden gewittert. Sie haben ihren Eis- und Crèpewagen in unmittelbarer Nähe aufgestellt.
In Berlin ist man Schlangestehen inzwischen schon gewöhnt. Den größten Andrang gab es im Jahr 2004 bei der MoMA-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie. Viele Besucher mussten stundenlang warten. Die Schlange entwickelte einen regelrechten Eventcharakter. Nachts wurden Zelte neben dem Museum aufgebaut, die geschmierten Butterbrote ausgepackt und mit dem Zeltnachbarn über Gott und Kunst geredet. Morgens roch es vor den verschlossenen Türen nach Kaffee. Campingtische versperrten den Weg ins Museums. Wer dort übernachtete, hatte einen Vorteil: Er kam als Erstes rein.
Die Schlange vor dem Naturkundemuseum hat bis jetzt noch keine MoMA-Ausmaße angenommen. Das liegt auch am bereits eingespielten Personal. Zügig werden die Besucher an den beiden Kassen vorbeigeleitet. Im Sekundentakt spuckt das Kassensystem ein Ticket nach dem anderen aus. Nur wenn die Luft sich wegen der viele Gäste zu sehr aufheizt, wird zeitweilig keiner mehr eingelassen. Das Warten lohnt sich. Wer alle Hürden überwunden hat, betritt die Haupthalle des Museums. Und steht vor dem größten echten Saurierskelett, das weltweit in einem Museum zu sehen ist.
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