Murdochs US-Imperium: Tyrannei mit einem Lächeln
Während Rupert Murdochs Reich sich in Großbritannien selbst zerlegt, ist das in den USA nicht so einfach. Doch die Suche nach Gesetzesbrüchen hat begonnen.
In den USA betrachten einige den Telefon-Hacking-Skandal in England mit vorsichtiger Freude - so wie Mäuse eine Katze beobachten mögen, die sich aus Angst vor einem Terrier auf einen Baum geflüchtet hat. Fox News, Rupert Murdochs wichtigster Ableger in den USA, wird in der Regel als Propagandainstrument der republikanischen Partei angesehen. Bei der täglichen Berichterstattung über das Netz spielt diese Einschätzung allerdings keine Rolle. Noch nicht einmal bei den mächtigsten TV-Kritikern der Nation.
Die klare, aber unausgesprochene Hoffnung vieler in den USA ist jetzt, dass die Verstöße, die Murdoch in England außer Gefecht gesetzt haben, ihn nun auch in den USA zur Strecke bringen. Wie funktioniert dieser Murdoch? Sein merkwürdiges Genie besteht darin, Leute zu finden, die ihm dabei helfen, den Markt erst zu erschließen und sich dann den besten Plan auszudenken, ihn wieder kaputt zu machen.
In Großbritannien haben er und seine Manager Rebekah Brooks und Les Hinton es geschafft, sich die offensichtliche Kultur der Komplizenschaft innerhalb der Polizeikräfte zunutze zu machen, um eine skrupellos Macht ausübende Phalanx journalistischer Tyrannei zu erschaffen. Geholfen haben ihnen dabei die laxen Gesetze zum Schutz der Privatsphäre. Dass sie dabei jetzt zu weit gegangen sind, hat dieses hässliche Empire nun in die Knie gezwungen.
In den USA ist der Ansatz der Murdoch-Mitarbeiter etwas anders. Hier praktiziert Fox News seine Tyrannei mit einem Lächeln; ein feister und dreister Gesichtsausdruck der Unschuld und die komische Parole "fair und ausgeglichen" sind sein Markenzeichen. Das TV-Nachrichtennetz führt, anders als häufig behauptet wird, keine Kampagnen für konservative Zwecke. Es ist ein spezifisch republikanisches, parteipolitisches Unterfangen, das sehr effizient mit einflussreichen Vermittlern der Grand Old Party zusammenarbeitet, um deren Botschaft des Tages zu verkünden, unabhängig davon, was noch am Tag davor behauptet worden war.
Ideologisch verblendete liberale Mainstreammedien
As a service for our readers you can read Bill Wyman's text in its orginal English version if you click here.
Eine seiner sehr smarten Praktiken besteht darin, das Vorurteil der Massen zu bedienen, dass die Mainstreammedien alle liberal und voreingenommen sind. Interessanterweise zählt Fox sich selbst nicht dazu, obwohl er immerhin der am häufigsten eingeschaltete Nachrichtensender ist. Diejenigen nun, die das Offensichtliche sagen - nämlich, dass Fox die Nachrichten täglich filtert und parteipolitisch neu verpackt -, werden wiederum als ideologisch verblendet in Misskredit gebracht, was eine perfekte Strategie ist, um Kritiker auszuhebeln.
Nun könnte man entschuldigend sagen, dass sich die Amerikaner nicht um ihren transatlantischen Flügel gekümmert haben und deshalb erst jetzt von den wirklichen Machenschaften in Großbritannien erfahren. Das Argument ist aber heikel und kann noch eine Menge Ärger bereiten. Denn als Murdoch US-Fernsehsender zu kaufen begann, trat er gegen ein Gesetz an, das Ausländern den Besitz von Fernsehsendern verbot. In beeindruckender Geschwindigkeit wurde er US-Bürger, und News Corp., zuvor eine australische Firma, wurde zu einem US-Unternehmen, das seinen Sitz im winzigen Staat Delaware hatte. Aufgrund einiger wirtschaftsfreundlicher Regeln in diesem Staat unterhalten dort viele bekannte Firmen Postfächer. Doch diese Entscheidung, die für ihn bisher anscheinend so vorteilhaft war, könnte sich nun als verheerend entpuppen.
Mit dem sich abzeichnenden Skandal kann nun eine ganze Reihe mächtiger Organisationen der Firma das Leben schwer machen: die Securities and Exchange Commission, das FBI - oder gar der US-Kongress selbst. Die Frage ist, ob Murdoch US-amerikanische Gesetze gebrochen hat. Es gibt mehrere Stränge, die seine Gegner sich jetzt sehr genau anschauen.
Hacken der Telefone von 9/11-Opfern
Zwar scheint das großangelegte Hacken von Telefonen und das Bestechen von Polizeibeamten ein britisches Phänomen gewesen zu sein. Es gibt aber einen einzelnen verirrten Satz in einem Bericht des britischen Daily Mirror, der darauf hindeutet, dass Mitarbeiter des inzwischen eingestellten Tabloids News of the World mit einem Privatdetektiv über das Hacken von Telefonen von 9/11-Opfern im Raum New York gesprochen haben.
Auch wenn es bislang noch keine wirklichen Beweise dafür gibt, versuchen liberale Kommentatoren und einige gewählte Vertreter in den USA das für ihre Zwecke auszuschlachten. Hinzu kommt, dass der britische Schauspieler Jude Law die Sun, ein weiteres Murdoch-Blatt, verklagt hat - weil die sich in sein Telefon eingehackt habe. Dieser Prozess ist sehr interessant, weil Law ausdrücklich davon ausgeht, dass das Einhacken während eines Aufenthalts in New York geschah. Damit könnte das die Grundlage für eine Anklage in den USA werden.
Bis jetzt allerdings gibt es noch keine Vorwürfe, dass News Corp. in derartige Praktiken verwickelt gewesen wäre. In den USA haben selbst die Murdoch-freundlichsten Zeitungen einen Verhaltenskodex, der viel höhere Maßstäbe anlegt als die meisten britischen Blätter. Anders ist es bei den britischen Boulevardblättern, sogenannten Supermarkt-Tabloids wie dem National Enquirer und The Globe. Diese Wochenzeitungen agieren aggressiv im britischen Stil - so zahlen sie regelmäßig für die Geschichten, was bei den meisten US-Nachrichtensendern und Zeitungen unüblich ist. Und dennoch: Zwar haben die Tabloids, was Sorgfalt und Genauigkeit betrifft, eine zweifelhafte Reputation, andererseits verlieren sie nur sehr selten Verleumdungsklagen. Auch haben sie viele wichtige Geschichten als Erste gebracht, darunter den John-Edwards-Sex-Skandal von 2007 und 2008.
Foreign Corrupt Practices Act: Bestechung im Ausland verboten
Es gibt einen zweiten möglichen Untersuchungsstrang in den USA, der erfolgversprechender ist, wenn man dem Team Murdochs an den Kragen will. Ein Bundesgesetz, der Foreign Corrupt Practices Act, verbietet US-Firmen die Bestechung. Dieses Verbot wird zwar meist in Zusammenhang gebracht mit Zahlungen an korrupte ausländische Regierungen, aber das Schmieren von Polizeibeamten in England könnte auch darunter fallen. Dieses Gesetz gibt der Regierung außerordentliche Befugnisse, sich durch die Firmendokumente zu wühlen.
Bevor das Justizministerium solch eine Untersuchung beginnen würde, wären aber enorme politische und juristische Hürden zu nehmen. Aber da selbst Brooks offiziell vor dem Parlament ausgesagt hat, dass ihre Zeitung solche Bestechungsgelder gezahlt hat, sieht es so aus, als wäre das ein Ansatzpunkt für Ermittlungen, auch wenn sie später versuchte, ihre Aussage wieder zurückzunehmen.
Mit einer solchen Untersuchung würde der Spaß erst wirklich anfangen. Die Aussicht, den Besitzer der verhassten Fox News in die Verantwortung nehmen zu können, könnte den US-Kongress durchaus ermutigen, sich dafür ins Zeug zu legen. Die dann folgenden Anhörungen könnten Murdoch und andere Figuren seines Unternehmens auf Trab bringen und öffentlich demütigen. Solch ein Spektakel wäre natürlich ein wunderbares Ereignis für Fox-News-Zuschauer. Wie würde das Kabelnachrichtennetz wohl reagieren?
Wir haben einen Vorgeschmack bekommen auf das, was vielleicht in dieser Woche noch passieren könnte, als das Wall Street Journal (WJS), das repräsentabelste Gesicht Murdochs im US-Establishment, einen donnernden Leitartikel über den Skandal in England veröffentlichte.
Scotland Yard ist Schuld!
Zu diesem Text kamen viele Kommentare, die meisten davon waren negativ. Dieser Leitartikel des WSJ ist ein wildes, aber rationales Biest. Er kam zu folgenden Schlüssen: 1. verteidigt er ausdrücklich die meisten News-Corp.-Aktivitäten; 2. wird halb zugegeben, dass Hacking stattgefunden hat; für das, was sich jetzt abspielt, wird aber Scotland Yard (!) die Schuld gegeben, da er das Hacken nicht beendet habe; und 3. wurde kurioserweise die Bestechung von Polizeibeamten nicht ausdrücklich erwähnt, was allerdings die Anschuldigung unter 2. erklären würde.
Da Les Hinton nach seiner Zeit als Chef der englischen Murdoch-Zeitungen in die USA gekommen ist, um das Journal und andere Medien zu leiten, kann der Leitartikler vorgeben, ihn recht gut zu kennen. Entsprechend bestätigt der Verfasser des Artikels Hintons Redlichkeit. Damit nimmt er ihm offenbar ab, dass er von den Hacking-Vorgängen in London keine Ahnung hatte. Nun gibt es viele zweifelhafte News-Corp.-Behauptungen. Die Vorstellung allerdings, dass ein Topredakteur die Quellen der größten Geschichten seiner Zeitungen nicht kannte - das ist einfach unglaubwürdig.
All das ist kein amerikanischer Journalismus vom Feinsten. Aber wenn der Meister nun selbst ernsthaft angegriffen wird, dann könnte die Fassade des netten Lächelns bei Fox News ein für alle Mal bröckeln. // Aus dem Englischen von Gaby Sohl
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity