Münchener Sicherheitskonferenz: Mehr Deutsche nach Afghanistan

Schlagabtausch über den erweiterten Afghanistaneinsatz der Bundeswehr? Fehlanzeige bei der Sicherheitskonferenz - denn der wird wohl schon im Sommer beschlossen.

Mehr Soldaten, 18 Monate Laufzeit und eine Ausdehnung gen Westen - so soll das Afghanistan-Mandat frisiert werden. Bild: dpa

"Die Welt befindet sich in einem Zustand der Unordnung." (Mohammed el Baradei, Chef der Atomenergiebehörde IAEO)

"Das ist hier keine Hipp-Hipp-Hurra-Veranstaltung, wo wir uns alle sagen, wie toll wir sind. Eine Mannschaft - eine Mission ist das Ziel." (Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer)

"Europa kann nicht nur der zivile Arm der Nato sein." (Hervé Morin, französischer Verteidigungsminister)

"Die Bundeswehr sinkt gemeinsam mit den Nato-Truppen immer tiefer in den Morast dieses Krieges." (Claus Scheer vom "Aktionsbündnis gegen die Sicherheitskonferenz")

"Wenn die EU ein Christen-Club ist, darf man nicht von einer Allianz der Kulturen sprechen." (Recep Tayyip Erdogan, türkischer Ministerpräsident)

"Wenn es zur einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo kommt, wird das ein Präzedenzfall sein und eine Büchse der Pandora öffnen." (Der russische Vizepremier Sergej Iwanow).

Die Bundesregierung plant offenbar, den Afghanistaneinsatz auszuweiten. Auf dem Nato-Gipfel im April in Bukarest soll Bundeskanzlerin Angela Merkel verkünden, dass Deutschland statt der bisher 3.500 künftig 4.500 Soldatinnen und Soldaten an den Hindukusch schicken wird. Der Verantwortungsbereich der Deutschen soll nach Westen ausgedehnt werden. Ein entsprechendes Bundestagsmandat könnte über das übliche eine Jahr hinaus auf etwa 18 Monate befristet werden, damit es nicht im Bundestagswahlkampf 2009 verlängert werden muss. Dies berichtete am Samstag der Spiegel.

Die Nachricht platzte mitten in die Münchner Sicherheitskonferenz, zu der am Wochenende über 200 Außen- und Verteidigungspolitiker, Rüstungslobbyisten und Militärs aus aller Welt im Hotel Bayerischer Hof zusammengekommen waren.

Auf Nachfragen von Grünen- und FDP-Abgeordneten sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) in München jedoch nur, was er seit Tagen sagt: Er verwies auf die Grenzen des bestehenden Bundestagsmandats für Afghanistan und "bat um Verständnis", dass er sich zu zukünftigen Einsätzen nicht äußere. Eine Stationierung im umkämpften Süden Afghanistans sei aber weiterhin nicht vorgesehen.

Koalitionsabgeordnete bestätigten jedoch die Pläne. Der CSU-Außenpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg behauptete gar: "Es handelt sich um Ideen aus dem Bundestag." Eine solche Bemerkung könnte dazu dienen, in den Fraktionen der Regierungsparteien Zustimmung zum dort nicht unumstrittenen Afghanistaneinsatz zu sichern.

Auch der Sprecher des Verteidigungsministeriums Thomas Raabe dementierte die Nachrichten nicht. Er erklärte es lediglich für unwahrscheinlich, dass der Bundestag schon vor Ablauf der Einjahresfrist für das bestehende Mandat, etwa im Juni, über einen neuen Einsatz abstimmen werde. "Dafür braucht man schon gute Gründe", sagte er.

Die Idee, ein erweitertes Mandat gleich bis 2010 laufen zu lassen, damit es nicht Gegenstand des Bundestagswahlkampfes wird, hatten zum Wochenende bereits Unions-Fraktionschef Volker Kauder und auch Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) in die Welt gesetzt. "Das drängt sich ja fast auf", bestätigte Steinmeier in München. Zur näheren Begründung verwies Jung-Sprecher Raabe auf die Linkspartei, die die ablehnende Haltung der Bevölkerung ausnützen würde. Nach jüngsten Umfragen lehnen 63 Prozent der Bundesbürger das Engagement in Afghanistan ab. Ob allerdings ein aufgestocktes Mandat die Forderung der USA, der Niederlande und Kanadas nach Unterstützung im Süden Afghanistans befriedigen wird, blieb in München fraglich.

In seiner Rede auf der Sicherheitskonferenz erklärte US-Verteidigungsminister Robert Gates am Sonntagmorgen, er wundere sich darüber, dass die Deutschen sich besonders angesprochen fühlten, wenn es um die notwendige Verstärkung in Südafghanistan gehe. Deutschland leiste in Nordafghanistan "großartige Arbeit". Auch sei ihm klar, worauf Grünen-Chef Reinhard Bütikofer hinwies, dass Deutschland die viertmeisten Todesfälle in Afghanistan zu beklagen habe. Deutschland sei offenbar "überempfindlich, dabei ist es doch nie erwähnt worden", sagte Gates. Sein Brief, der hierzulande für Aufruhr sorgte, weil er in schroffem Ton zur Truppenaufstockung aufrief, sei an alle 25 Nato-Partner gerichtet gewesen.

Zudem betonte Gates erneut, dass die Nato "als Ganzes" in Afghanistan unbedingt mehr leisten müsse. Afghanistan sei "der erste Bodenkrieg" der Nato, dabei habe man Fehler begangen. Für eine grundsätzliche Verbesserung der politisch-militärischen Strategie brauche es einen Koordinator - "am besten einen Europäer" -, der vor Ort den Überblick über die unzähligen Aufbauaktivitäten bewahre. Jetzt aber wollten die USA unter größten Mühen 3.200 weitere Soldaten senden, und er erwarte, dass Europa ebensolche Mühen auf sich nehme. Es dürfe keine Spaltung geben zwischen den Nato-Ländern, die das Kämpfen erledigen, und denen, die das nicht tun.

Auch Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sagte, es sei "ein bisschen unfair", mit dem Finger auf Deutschland zu zeigen. Er verlangte jedoch von allen Nato-Ländern in Afghanistan "maximale Flexibilität" und "null Beschränkungen" in der Art des Einsatzes und hatte mit weitreichenden Forderungen generell keine Probleme: "Let us have Streitkultur." Die deutschen Repräsentanten bei der Sicherheitskonferenz - die im kommendem Jahr von dem deutschen Diplomaten Wolfgang Ischinger geleitet werden wird - lächelten etwas gequält dazu.

Frankreichs Verteidigungsminister Hervé Morin erwähnte in seinem Vortrag nichts davon, dass Paris in Südafghanistan die besonders gestressten Kanadier entlasten will. So war es am Freitag vom Nato-Verteidigungsministertreffen im litauischen Vilnius gemeldet worden. In München klang Morin jedoch eher so, als erwarte er auf jeden Fall einen größeren Beitrag Deutschlands, bevor er für Frankreich etwas verspreche. Heftig plädierte Morin, dessen Land gar kein volles Nato-Mitglied ist, für eine Straffung der aufgeblähten Kalte-Kriegs-Strukturen der Nato. Dadurch würden Mittel für Afghanistan frei.

Ebenso wie der "liebe Franz Josef" Jung plädierte Morin dafür, nicht nur die militärische, sondern auch die zivile Komponente des Afghanistan-Einsatzes zu stärken. Der bloße Militäreinsatz, sagte er, sei "wie die Brandung am Strand" - ein Hin- und Zurückfließen. Doch "wenn die Soldaten abgezogen sind, ist die Situation dieselbe wie zuvor."

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