München-"Tatort" am Sonntag: Ein Herz für Hexen
Im "Tatort" des BR, "Gesang der toten Dinge", entdeckt Ermittler Batic die Welt der Esoterik - am Sonntag um 20.15 Uhr in der ARD.
"Ich arbeite mit Energien", sagt eine Zeugin. "Also bei den Stadtwerken?", fragt der Kommissar. "Nein, mit Kristallen." Ermittler Leitmayr (Udo Wachtveitl) tut sich auf dem Feld der Astrologie und des Wahrsagens offensichtlich noch schwer, Kollege Batic (Miroslav Nemec) indes entdeckt bald sein Herz für die Grenzwissenschaften: Nachdem ihm die "Aura-Leserin" Fefi Zänglein (Irm Hermann) den so lange verdrängten Tod seines zu Kindeszeiten so geliebten Hundes angesehen hat, ist er ganz ihr und ihrer Profession zugetan.
Begeistert diskutiert Batic mit der Frau auch ihre auratischen Kompositionen, die sie aus Uhrticken, Türquietschen, Holzdielenknarren zusammenstellt und den "Gesang der toten Dinge" nennt. Am Ende läuft er gar mit dem Mikro durchs Revier, um der neuen Schwester im Geiste eine Kassette zu schenken: "Das ist Musik von einem Paternoster. Musik für Kenner."
Ein Krimilustspiel aus der weiten Welt der Esoterik hat der Österreicher Thomas Roth mit seinem ersten München-"Tatort" vorgelegt. Verankerte er seinen grandiosen Ermittler "Trautmann" (hierzulande gelegentlich auf 3sat zu sehen) noch im engen Wiener Mief, so lässt er die beiden Münchner Polizisten um die Gegend des malerisch mit Laub bedeckten Schloss Nymphenburg flanieren, wo Fefi als Gärtnerin arbeitet. Weiß sie etwas zum Tod der TV-Astrologin Doro Pirol?
Der, zugegeben, nicht besonders virtuos gestrickte Plot (Buch: Markus Fenner) bietet reichlich Möglichkeiten, alle Facetten der Pseudowissenschaften auszubreiten: Von der Scharlatanerie des Ehemanns der Toten (André Eisermann), ebenfalls Fernsehsternendeuter, der zur Klärung der Lebensfragen seiner Kunden mit zuckendem Körper die Erzengel Gabriel und Urion anruft, bis eben zu den wundersamen Eingebungen der Kräuterhexe Fefi.
Dass nicht alle Rätselhaftigkeiten restlos aufgeklärt werden, ist dabei schon okay. Zum Glück gibt es jetzt ja im Münchner "Tatort" wieder einen Gegenpol zu Batic und Leitmayr, die sich hier im zauberhaft entrückten Schloss Nymphenburg ein bisschen zu liebevoll necken. Nach dem Abgang von Carlo Menzinger sorgt Sabine Timoteo ("Der freie Wille") als aus dem Südwesten zugereiste Ermittlerin Gabi Kunz für neue analytische Schärfe. Im trockenen Schwyzerdütsch arbeitet sie gegen ihre allzu gefühligen Kollegen an, Esoterikflashs und Zärtlichkeitsattacken werden nüchtern von ihr abmoderiert.
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