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Müllprobleme in BerlinNachhaltige Wurstigkeit

Der letzte BSR-Streik ist schon lange vorbei. Das heißt nicht, dass rund um die Müllbehälter der Stadt wieder Ordnung herrscht.

Einer geht noch rein: Berliner Müllraum im Monat März Foto: IMAGO / Frank Sorge

Berlin taz | So ein Streik bei der Müllabfuhr ist nicht ohne: Fünf Wochen bleibt der Abfall nun schon liegen, er türmt sich auf Gehwegen, in Vorgärten und Grünanlagen. Die Stadtverwaltung bemüht sich, das Schlimmste zu verhindern, und hat Noteinsätze organisiert, zu denen Stadtreinigungs-Lkws aus dem Umland anrücken. Gut geht es nur den Schädlingen – Ratten so groß wie kleine Katzen sollen gesichtet worden sein.

Okay, das ist nicht Berlin, sondern Birmingham, das derzeit von einem massiven bin strike erschüttert wird. In der deutschen Hauptstadt waren es nur vier Tage Mitte März, die die Beschäftigten der BSR in den Ausstand traten, die Tonnen nicht geleert wurden und die Recyclinghöfe dichtblieben. Aber in vielen Müllräumen und Hinterhöfen sieht es immer noch übel aus.

Im Gegensatz zu anderen Branchen ist so ein Müllstreik ja auch für die Beschäftigten ein zweischneidiges Schwert. Denn sobald sie die Arbeit wieder aufnehmen, haben sich Berge angehäuft, die sie nun selbst abarbeiten müssen, bis wieder Land in Sicht ist. Laut BSR wurden dann auch in den Folgetagen und Folgewochen viele Überstunden zur „Streikfolgen-Beseitigung“ geleistet. Dabei seien auch die „Beistellungen“ beseitigt worden – also Müllsäcke, die von den AnwohnerInnen neben die vollen Tonnen gestellt wurden.

In der Realität geriet aber durch den Streik so einiges ins Rutschen in der ohnehin nicht sonderlich ausgeprägten Abfalldisziplin: Auf den schwarzen Restmülltonnen türmten sich müffelnde Berge, und schon bald landete alles, was so anfiel, in jedem Behälter, der auch nur einen Kubikzentimeter Raum bot. Am Ende steckten Kartons im Biomüll, schmutzige Windeln in der gelben Tonne, Kartoffelschalen im Altglas und Flaschen im Papier.

In der Folge weigern sich nun Firmen wie Berlin Recycling und Alba immer wieder, den alles andere als sortenreinen Mischmasch zu entsorgen. Damit besteht das Platzproblem auch ohne Streik weiter, und die schwarzen Tonnen füllen sich im Handumdrehen bis zur Oberkante. Oft ist es an wohlmeinenden NachbarInnen oder pflichtbewussten HausmeisterInnen, halbwegs geordnete Verhältnisse herzustellen.

Berliner Normal

Seiner Kenntnis nach seien die allermeisten Streikfolgen seit Ende März beseitigt, sagt ein BSR-Sprecher auf Anfrage – was freilich oft genug mit der Alltagserfahrung kollidiert. Aber alles, was jetzt noch so rumgammelt, läuft vermutlich einfach unter „Berliner Normal“.

Auch wenn es an der Spree keine Birminghamer Verhältnisse gibt: So ein Berlin bin strike zeigt wieder sehr deutlich, dass ein Erreichen all unserer hehren Nachhaltigkeitsziele in weiter Ferne liegt. Nachhaltig ist hier im Umgang mit den eigenen Hinterlassenschaften oft nur die komplette Wurstigkeit – und „Zero Waste“ ist ganz sicher eine schöne Theorie, in der Praxis aber für die Tonne.

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1 Kommentar

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  • Regelmäßig kommt die Müllabholung; 4 verschiedene Touren - manche zweimal in der Woche;



    Getrennt nach Hausmüll (schwarze Tonne), Biomüll (braune Tonne), Verpackungen (gelbe Tonne), Papier (blaue Tonne).



    Ein aufwendiges Verfahren? Eine Tour für alles und bei der Entladung mit technischen Mitteln die Sortierung vornehmen oder alles verbrennen?

    Viermal durch die Stadt, Wohngebiete ohne wachsenden Sammelplatz. Aber neue Vorgaben z. B. getrennte Textil