: Mozart in der Psychiatrie
■ Neu im Kino: „Cosi“ des Australiers Mark Joffe / Einfühlsame Inszenierung, warmherzige Komik, märchenhafte Vorlage
Seit dem Erfolg von „Einer flog über das Kuckucksnest“ gehören auch psychiatrische Anstalten zu den mythischen Orten des Kinos, und daß die Narreteien des Theaters für psychisch Kranke großen therapeutischen Nutzen haben können, hat spätestens das Blaumeier-Ensemble mit seiner Faust-Inszenierung bewiesen.
Wenn nun einer der Blaumeiers über diese abenteuerliche Bühnenarbeit seinerseits ein Theaterstück geschrieben hätte, und dieses nach großem Erfolg auf deutschen Bühnen von einem komödiantisch begabten Filmemacher wie Detlev Buck verfilmt würde, dann hätte man etwa eine norddeutsche Antwort auf den australischen Spielfilm „Cosi“.
Dieser erzählt von dem jungen Regie-Lehrling Lewis und seinem Job, in einer Klinik als Beschäftigungstherapie mit psychisch Kranken ein Theaterstück aufzuführen. Weil ein manischer Patient und enthusiastischer Verehrer von Mozart gleich bei dem ersten Treffen das Kommando übernimmt, steht Lewis plötzlich vor der scheinbar unlösbaren Aufgabe, die Oper „Cosi Fan Tutte“ zu inszenieren, und dies obwohl keiner in seinem Ensemble singen kann, geschweige denn Italienisch. Die Proben münden natürlich regelmäßig im Chaos, aber weil Lewis wirklich für die Produktion kämpft, und sogar, nachdem er vom Anstaltsleiter gefeuert wird, nachts, heimlich und ohne Bezahlung weiterarbeitet, endet der Film in einer triumphalen Premiere, bei der natürlich die Pannen am meisten beklatscht werden.
Das ist alles vielleicht ein wenig zu vorhersehbar erzählt, und konventionell in Szene gesetzt, aber diese kleinen Schwächen verzeiht man dem Film gerne, weil Regisseur Mark Joffe das größte Problem bei solch einem Stoff souverän gelöst hat: Er portraitiert die psychisch Kranken genauso ernsthaft und sympathisch wie die anderen Filmfiguren. Man lacht mehr mit ihnen als über sie.
Louis Nowra, auf dessen Stück der Film basiert, hat selber mit psychisch Kranken Theaterstücke aufgeführt, und so hat er das Stück „in der Ich-Form“ konzipiert: Der Zuschauer folgt in fast jeder Einstellung dem jungen Regisseur und lernt mit ihm zusammen langsam die Anstalt und ihre Insassen kennen.
Als Modell hat Nowra sich dazu Lewis Carols „Alice im Wunderland“ genommen, und so spaziert sein Lewis (!) ähnlich offen und blauäugig durch seine phantastischen Abenteuer wie die Kinderbuchheldin. Ben Mendelsohn spielt ihn mit einer sehr gewinnenden Naivität und Verletzlichkeit, so daß man in erster Linie mit ihm um das Gelingen der Aufführung bangt.
Nur Opernfreunde, die viel Mozart und sauber gesungene Arien erwarten, muß man vor diesem warmherzig komischen Film warnen. Die Theater-Aufführung am Schluß ist zwar brilliant inszeniert, erinnert aber eher an „A Night at the Opera“ von den Marx Brothers als an Bergmanns „Zauberflöte“ oder „Amadeus“. Wilfried Hippen
„Cosi“ läuft im Filmstudio
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