piwik no script img

■ Bonn apartMorris als Modell

Es gibt Menschen, die würden sich in Deutschland nicht wohl fühlen. Jörg Haider zum Beispiel, weil der nur bei einem Schönheitswettbewerb ein paar Stimmen gewinnen könnte. Oder Claudia Schiffer, weil ihr die Neidhammel das Gesicht zerkratzen würden. Oder Dick Morris, der Wahlkampfmanager von Bill Clinton.

Als er sich kürzlich mit der SPD über das Thema Wahlkampf austauschte, muß er insgeheim gedacht haben, daß der Morgenthau-Plan doch verwirklicht wurde. Nach diesem Plan sollte Deutschland zum Bauernland umgemodelt werden. Morris konnte Clinton aufgrund des perfekten Wahlkampfs schon ein Jahr vor der Präsidentenwahl zum sicheren Sieg gratulieren. Und was ist in stone old Germany? Zwei Männerfreunde streiten darum, wer von ihnen der schlechtere Kandidat wäre.

Vielleicht hat den Morris wenigstens die gestrige Einweihung des neuen „war room“, der Wahlkampfzentrale der SPD, beruhigt. Damit wurde ein Zeichen gesetzt, daß jetzt alles getan wird, um die Bundestagswahl zu gewinnen. Und zwar schon die von 1998. Die Tirpitz der Wahlkampfzentren muß zwar vorerst aus einem Zwillingsgeschütz feuern, bis ein einziger Kandidat gekürt wird. Aber sonst ist alles gut.

Ausgeschlossen, daß wie vor einem halben Jahr bei der SPD- Fraktion die Benachrichtigung über die wichtige Pressekonferenz die meisten Redaktionsstuben erst erreichte, als die Veranstaltung schon vorbei war. Unwiederholbar wohl auch, was erst vor wenigen Tagen passierte: Gerhard Schröder hatte gerade erst mit seinen zwölf Thesen zur Wirtschaftspolitik die CDU wie die SPD aussehen lassen. Und nun sollte die entschärfte, mit Oskar Lafontiane abgestimmte Fassung als Leitantrag der SPD vorgestellt werden. Eine Kopie des Leitantrags wurde zugesagt. Nach zwei Erinnerungen lief drei Stunden später das Faxgerät an. Was kam heraus? Die zwölf Thesen des potentiellen Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder. Kann Morris doch schon gratulieren? Markus Franz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen