Morgenzusammenfassung Akw Fukushima: Noch ein Druckbehälter beschädigt
Am Mittwoch mussten die Arbeiter wegen der hohen Strahlung zeitweise vom AKW abgezogen werden. Vermutlich ist nun der zweite Druckbehälter beschädigt.
TOKIO afp/dpa/taz (letztes Update: 7:22 Uhr) | Die Lage am Akw Fukushima I verschlimmert sich weiter. Am Mittwoch teilte die Regierung in Tokio mit, dass möglicherweise ein Teil des Druckbehälters des Reaktors 3 beschädigt sei, aus dem anscheinend Dampf austrete. Wegen erhöhter Strahlung in dem Kraftwerk wurden die Techniker, die mit allen Mitteln eine Kernschmelze zu verhindern suchen, vorübergehend in Sicherheit gebracht.
Regierungssprecher Yukio Edano sagte, der Schutzmantel von Reaktor 3 könnte beschädigt worden sein. "Nach dem wahrscheinlichsten Szenario ist Dampf aus dem Schutzmantel ausgetreten." In dem Reaktor hatte sich bereits am Montag eine Explosion ereignet, die die äußere Hülle beschädigt hatte. Im japanischen Fernsehen war live zu sehen, wie weiße Schwaden über dem Akw aufstiegen.
Wie Edano weiter sagte, stiegen die Strahlenwerte an dem Akw kurz nach 10.00 Uhr (Ortszeit, 02.00 Uhr MEZ) zeitweilig stark an, nahmen dann aber wieder ab. Nahe dem Eingang des Kernkraftwerks schwankten die Werte stündlich stark, blieben aber insgesamt auf einem Niveau, das gesundheitsgefährdend sei, fügte Edano hinzu.
Der Höchstwert lag nach Angaben der japanischen Atomsicherheitskommission bei 10 Millisievert (mS) pro Stunde. Das heißt, bereits nach zwei Stunden hätte man die in Deutschland für ein ganzes Jahr für Kraftwerksangestellte erlaubte Höchstdosis abbekommen. Nach Vorhersagen der japanischen Wetterbehörde soll der Wind in den kommenden Stunden Richtung Osten und somit hinaus auf das Meer wehen.
Zuvor hatte es im Reaktor 4 der Anlage erneut für etwa 30 Minuten gebrannt. Löscharbeiten waren offensichtlich unmöglich, weil es nach Angeben des Regierungsspreches zu gefährlich war, Hubschrauber einzusetzen.
Die Flammen sind anders als beim ersten Brand anscheinend von selbst wieder ausgegangen. Die Behörde berief sich auf Informationen des Betreibers Tepco, wonach kein Rauch und keine Flammen mehr sichtbar seien.
Inzwischen fürchten die Betreiber, die Brennstäbe könnten durch die Flammen so beschädigt und verdichtet sein, dass im Reator 4 von selbst eine Kettenreaktion in Gang kommen könnte und erwägen, Borsäure von Helikoptern aus über den Brennstäben abzuwerfen. Südkorea will einen Teil seiner Reserven des Halbmetalls Bor nach Japan schicken. Damit sollen die schwer beschädigten Atomreaktoren im Kraftwerk stabilisiert werden.
In Reaktor 4 hatte es bereits am Dienstag eine Wasserstoffexplosion gegeben, bei der das Dach der äußeren Hülle beschädigt wurde. Sie löste einen Brand im Aufbewahrungsbecken für gebrauchte Brennelemente aus, radioaktive Partikel gelangten daraufhin direkt in die Atmosphäre. US-Soldaten konnten den Brand in dem Reaktor, der für Wartungsarbeiten stillgelegt ist, jedoch löschen.
Die Entscheidung zur Evakuierung der Arbeiter sei aufgrund der erhöhten Radioaktivität an der Atomanlage getroffen worden, sagte ein Vertreter der Behörde für Atomsicherheit. Zuletzt waren etwa 50 Techniker vor Ort, die mit allen Mitteln darum kämpften, nach dem Ausfall der Kühlsysteme eine Kernschmelze in den Reaktoren zu verhindern. Bislang gab es vier Explosionen und zwei Brände in dem Kernkraftwerk, seit ein schweres Erdbeben und ein nachfolgender Tsunami Japan am Freitag heimsuchten.
Nach Angaben der Atombehörde, die sich auf Informationen von Tepco stützte, sind vermutlich 70 Prozent der Brennstäbe in Reaktor 1 sowie 30 Prozent der Brennstäbe in Reaktor 2 beschädigt. Außerdem hat der Reaktordruckbehälter von Block 2 einen Riss.
US-Präsident Barack Obama kündigte Sicherheitsnachbesserungen an Nuklearanlagen in den Vereinigten Staaten an. Es sei nun sehr wichtig zu prüfen, wie die Sicherheit und die Leistung der US-Atomkraftwerke verbessert werden könne, sagte Obama am Dienstag (Ortszeit) dem Fernsehsender CBS. Zugleich äußerte er sich "tief besorgt" über die Vorkommnisse in Japan.
Ein weiteres Erdbeben erschütterte am Mittwoch die Gegend östlich der japanischen Hauptstadt Tokio. Das Beben der Stärke 6,0 ereignete sich vor der Küste der Präfektur Chiba, wie die japanische Wetterbehörde am Mittwoch mitteilte. Es wurde keine Tsunami-Warnung ausgelöst.
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