Mordvorwürfe gegen Reporter in Brasilien: Alles für die Quote

Der öffentliche Druck beschleunigt die Mordermittlungen gegen den brasilianischen Sensationsjournalisten Souza. Die Staatsanwaltschaft will schnell ein Ergebnis vorweisen.

Die Ermittlungen bescheren Souza ein Medieninteresse, das er so bestimmt nicht wollte. Bild: ap

Es wird eng für Wallace Souza. Nach unzähligen Berichten in der Weltpresse steht der Politiker und Sensationsjournalist aus dem brasilianischen Manaus am Pranger: Ermittlern zufolge soll der 51-Jährige mindestens fünf Morde in Auftrag gegeben haben, um seine Mittagsshow "Canal Livre" populärer zu machen.

Er selbst streitet alles ab. "Wenn Christus wieder ans Kreuz geschlagen würde, schuld wäre der Abgeordnete Wallace Souza", sagt er. Bei der Regionalwahl vor drei Jahren war er erneut mit der höchsten Stimmenzahl ins Parlament des Bundesstaats Amazonas eingezogen. Mit markigen Sprüchen wollte sich der Expolizist für Recht und Ordnung einsetzen - wie in seiner Sendung.

Dass Souza dabei nicht zimperlich vorging, hat er in seiner 20-jährigen Rundfunk- und TV-Karriere oft demonstriert. Etwa so: "Es riecht nach Gegrilltem", sagt ein Reporter und hält sich die Nase zu. Anschließend schwenkt die Kamera auf eine verkohlte, rauchende Leiche. Für Nervenkitzel sorgte exklusives Filmmaterial von Schießereien.

Oft waren Souzas Reporter früher am Tatort als die Polizei. Man habe ein Netzwerk mit guten Quellen aufgebaut, verteidigt sich dieser. Souza habe eine Art Todesschwadron organisiert, um rivalisierende Drogenhändler aus dem Weg zu räumen, vermutet hingegen Staatssekretär Thomas Vasconcelos: "Anschließend berichtete er in seiner Sendung über die Morde."

In Manaus haben sich wegen großzügiger Steuerbefreiungen viele Großbetriebe angesiedelt. Wie ein Magnet ziehen sie die arme Landbevölkerung an. Obwohl Manaus in den nationalen Gewaltstatistiken auf den hinteren Rängen liegt, nimmt die Angst zu - auch wegen Stimmungsmache wie in Souzas Show.

Dieses Phänomen ist nicht auf Manaus beschränkt. "Brasil Urgente" heißt das berüchtigte Vorbild aus São Paulo. Moderator José Luiz Datena lässt Polizeieinsätze live begleiten, manchmal sogar aus dem Hubschrauber. Auch er geriert sich als Sprecher des gesunden Volksempfindens.

Die Grenzen zwischen Sensationsjournalismus, der Politik konservativer Familiendynastien und organisiertem Verbrechen sind fließend: Souzas älterer Bruder Carlos, früher ebenfalls "Canal Livre"-Moderator, saß lange als Bundesabgeordneter für die rechte "Progressive Partei" in Brasília und amtiert seit Anfang 2009 als Vizebürgermeister von Manaus.

Souza, der sich kürzlich Hoffnungen auf den Job des Sicherheitsministers von Amazonas gemacht hatte, ist noch durch seine Immunität geschützt. Sohn Rafael sitzt wegen Mordes, Drogenhandels und illegalen Waffenbesitzes in U-Haft.

Zum Verhängnis wurden Souza ausgerechnet seine Kollegen: Den ersten größeren Medienrummel hatte im April José Luis Datena in "Brasil Urgente" ausgelöst. Anfang August berichtete die Unterhaltungssendung "Fantástico" von TV Globo ihrem Millionenpublikum über die Ermittlungen. Internationale Medien zogen letze Woche nach. Vom öffentlichen Druck überrascht, versprach Staatsanwalt Ronaldo Andrade, die Untersuchung gegen Souza schon in zwei bis drei Wochen abzuschließen.

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