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Morde an Frauen und MädchenFemizide? Doch nicht in Deutschland

Die Bundesregierung ist im Ausland aktiv gegen Femizide. Doch Morde an Frauen in Deutschland will sie nicht als solche anerkennen.

Die Bundesregierung verweigert die Anerkennung und Definition des Phänomens Femizid Foto: imago/Willi Schewski

Berlin taz | 500 Millionen Euro gibt die Europäische Union jährlich für die Initiative Spotlight aus, die sich unter anderem dafür einsetzt, Femizide zu verhindern, also Morde an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Die Initiative ist etwa in Mexiko und Argentinien aktiv, Deutschland hat als größter Beitragszahler maßgeblichen Anteil daran.

Doch während die Bundesregierung im Ausland gegen Femizide aktiv ist, erkennt sie diese in Deutschland selbst nicht an. Das geht aus einer kleinen Anfrage der Linkspartei hervor, die der taz vorliegt. Hierzulande nämlich bringt zwar jeden dritten Tag ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin um – trotzdem aber ist die Bundesregierung nicht in der Lage, eine Aussage darüber zu treffen, ob es sich dabei um Femizide handelt.

„Es ist verwunderlich, dass sich die Bundesregierung auf nationaler Ebene der Definition, Forschung und Erfassung von Femiziden verweigert, sich auf internationaler Ebene aber als Geldgeber für Projekte zu Femiziden engagiert“, sagte Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, der taz.

Auch im UN-Sicherheitsrat, in dem Deutschland derzeit den Vorsitz hat, „brüste“ sich die Bundesregierung damit, Gewalt an Frauen bekämpfen zu wollen, sagte Möhring. „Damit sollte sie in Deutschland anfangen.“ Denn hierzulande verweigert die Bundesregierung, wie aus den Antworten auf die Anfrage hervorgeht, sogar die Anerkennung und Definition des Phänomens Femizid. Auch die Definition von Femiziden der Weltgesundheitsorganisation WHO als Morde an Frauen, weil sie Frauen sind, macht sie sich „nicht zu eigen“.

Dies verhindere Erkenntnisse darüber, warum Frauen in Deutschland getötet werden, so Möhring. Und es verhindere auch, diese Morde gezielt zu bekämpfen. Doch die Bundesregierung, so Möhring, zeige keine Motivation, „diese Wissenslücken zu schließen“.

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7 Kommentare

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  • Nehmen wir an, man würde das -in meinen Augen vermeintliche- Phänomen wie gewünscht Femzid nennen bzw. als solchen anerkennen. Was wäre dann gewonnen?

  • vielleicht haben ja die Autoren gegenseitig abgeschrieben und nun ist die Aufregung groß.



    Wenn man in die Statistik 2017 (gibts im Netz) sieht, ist das Mann/Frau Verhältnis in allen Bereichen der Gewaltdelikte jeweils 60/40 bis 70/30; insgesamt haben die Gewaltdelikte um 16% abgenommen, lediglich im Bereich "gegen die sexuelle Selbstbestimmung" gegenüber dem Vorjahr um 70% zugenommen, was ich mir nicht erklären kann.

  • Wer den BKA Bericht liest, erkennt, dass es sich um Versuche handelt. Gewaltsames, gefährliches Verhalten, das die Polizei als Tötungsversuch definiert. Kriminologen wissen aber, dass diese Definition selten hält. Das Geschehen war eben doch komplexer. Übrigens sind Männer sehr viel häufiger Opfer anderer Männer. Wenn Frau Giffrey aufdreht, dann denke ich: auch als Ministerin kann sie Texte und Zahlen nicht wirklich rational interpretieren. Dass sie derartige Aggressionen entsetzlich findet, ist ja klar. Aber es fehlt leider jede Analyse, was sich verändert hat, wo das Problem liegt. Wo fehlen Frauenhäuser. Was passiert mit Flüchtlingsfrauen.....alles bleibt im Dunklen.

    • @Monika Frommel :

      Zum einen: Wieviel mehr sind Männer häufiger Opfer anderer Männer? Und zum anderen: Es geht hier um das Täter - Opferverhältnis in Taten die mit Sexualität zutun haben. Da gibt es ein klares Gefälle zum Nachteil der Frauen. Das hängt meiner Meinung nach damit zusammen, dass sich Frauen noch als viel zu Schwach und Verletzlich halten. Irrationaler weise auch Psychisch. Und das finde ich sehr gefährlich, denn gewaltbereite Partner nutzen das gerne aus (eine Bekannte die in der Psychiatrie arbeitet erzählte mir das) . Also liebe Damen: Seid stark, konsequent und lasst euch nicht kleinreden!

      • @Sven Svarson:

        Ohne Altersklassen ist das Verhältnis 1,5.

  • Femizid in Anlehnung des Wortes Genozid ergibt keinen Sinn. Es werden keine Lager gegründet, niemand wird vertrieben und der Mord hat nicht nur den Ursprung der Geschlechtszugehörigkeit und auch nicht das Ziel der Ausrottung, sondern ein komplizierteres soziales Geflecht steht hinter diesen Taten. Die Definition ist einfach mangelhaft, auch wenn die Intention, auf Mord und Totschlag aufmerksam zu machen richtig ist.

    • @Hampelstielz:

      Femizid ist keine "Anlehnung" and das Wort Genozid, sondern eine ganz normale lateinische Wortbildung (femina ‚Frau‘ /caedere ‚töten‘) und beschreibt die Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts - bitte die Definition erst einmal nachlesen, bevor Sie sie als "einfach mangelhaft" abstempeln.