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Mord im EliteinternatEiskalte Bengel

Im Bodensee-Tatort "Herz aus Eis" ist niemand sympathisch, aber alle hoch motiviert - ein Abgesang auf den Karrierismus (So., 20.15 Uhr, ARD).

Olga (m) hat Angst, dass ihre Verstrickung mit dem Tod ihres Mitschülers herauskommt. Viktoria (l) und Max (r) heucheln Verständnis. Bild: swr/hollenbach

Einen Mangel an Disziplin kann man diesen jungen Menschen wirklich nicht vorwerfen: Willensstark und unter Einsatz all ihres Wissens bringen zwei Schüler des Eliteinternats Schloss Hamberg einen Mitschüler um. Erst spannen sie ein Mädchen ein, um ihn mit Wodka und einem nicht nachweisbaren Betäubungsmittel abzufüllen, dann versenken sie ihn im Schwimmbad - der perfekte Mord.

Bernhard Bueb, Verfasser der Bildungsstreitschrift "Lob der Disziplin" und bis 2005 Schulleiter des Eliteinternats Salem, würde wahrscheinlich wohlwollend nicken zu dieser Kombination von Konsequenz und Kompetenz. So muss er beschaffen sein, der Führungsnachwuchs.

Beachtlich, wie leichthändig dieser "Tatort" das im engagierten Fernsehen ewig präsente Thema des Schulnotstands von Rütli in Richtung Salem dreht. Wenn Bildung nur dazu dient, ungehemmt den eigenen Egoismus zur Entfaltung zu bringen, muss das System vielleicht wirklich noch einmal überdacht werden. Aber eben anders als Bueb und Co. sich das vorstellen.

Ein hochaktueller Beitrag also ist dieser "Tatort" vom beschaulichen Bodensee geworden (Buch: Dorothee Schön; Regie: Ed Herzog). Deshalb verzeiht man den Machern auch, dass man im "Columbo"-Stil von Anfang an über den genauen Tathergang aufgeklärt wird - und auch die starken Anleihen beim US-Internatsthriller "Eiskalte Engel".

Denn auch in der formvollendet frostig in Szene gesetzten Februarkulisse haben die Macher darauf verzichtet, Sympathiepersonal aufzufahren, das uns ein bisschen die Herzen wärmen könnte. Man handelt so, wie man geeicht wurde; das darf man nicht allzu persönlich nehmen. Wer von Harvard träumt, kann sich mit 17 nun mal keinen Knick in der Biografie leisten. Deshalb musste das Opfer, das Verfängliches wusste, sterben.

Die 68erin Klara Blum (Eva Mattes) steht so viel blutiger Leistungsbereitschaft natürlich fassungslos gegenüber, ihr den schönen teuren Dingen zugetaner junger Kollege Perlmann (Sebastian Bezzel) hingegen ist da eher bereit, nachzuvollziehen, weshalb man für die teuren Uhren an den Handgelenken der Internatszöglinge morden könnte.

Wie wunderbar: Dem Lobgesang auf die Disziplin setzt dieser "Tatort" einen klirrend kalten Abgesang auf den Karrierismus entgegen.

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1 Kommentar

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  • PP
    Peter Pit Liebmann

    Dieser Streifen ist gespickt mit lauter Ketten scheinbarer Nebensächlichkeiten, die sicher dem Normalzuschauer entgehen, nicht jedoch den aufmerksamen Beobachtern.

    Die kleine Bemerkung bei der Leiche, das kenne man ja von Barschel, war leicht zu überhören, zeigt allerdings damit auf einen gemeinsamen Modus operandi, der sich schlüssig bis zum Finale durchzieht, und auch das Hotel in Genf wieder einbezieht.

    Ein Insider also.

    Deutliche handwerkliche Schwäche wir auf dem Eis sichtbar. Erstens ist es ein Loch, was auf eine Warmquelle schließen läßt und abgerundete Kanten hat, und keine Einbruchstelle.

    Auf dem Weg zur Rettung, aber spätestens nach der Bergung hätte den Ermittlern das Spurenmuster der Schlittschuhe und Schuhe auffallen müssen.

    Hier hakt die Sache, besonders da Victoria und Max von einem Einbrechen redeten.

    Trotzdem war der Streifen erstklassig, doch am Bildschirm wissen es die Außenstehenden sowieso ja immer besser.

    Großes Kompliment an alle!