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Mord an Haitis PräsidentNur keine Intervention

Gastkommentar von Katja Maurer

Haitis überfälliger Politikwechsel muss von innen kommen. Neue Protagonisten und funktionierende staatliche Institutionen sind gefragt.

Haitis Präsident Jovenel Moïse wurde am 7. Juli ermordet Foto: Dieu Nalio Chery/ap

M an muss sich nicht erst um Haiti sorgen, seit der Präsident ermordet wurde. Drei Jahre schon überzieht eine Welle von Massakern das Land. Seit Februar rücken die Gangs in die Mittelschichtsviertel vor. Sie sind mit Maschinengewehren und Tränengas bewaffnet.

Jovenel Moïse, ein schwacher Präsident, der sich zunehmend auf diese Gang-Gewalt stützte und die Institutionen unterhöhlte, regierte jüngst nur noch per Dekret. Parlament und große Teile des Senats sind aufgelöst, weil keine Wahlen stattgefunden haben. Der Oberste Gerichtshof erlebte Verhaftungen und sein Präsident ist gerade an den Folgen von Covid-19 gestorben.

Über die Hintergründe des Anschlags lässt sich nicht ohne Grund spekulieren, dass sich hier die haitianische Elite gegenseitig im Visier hat. Profiteur ist der gerade abgesetzte Premierminister Claude Joseph, der als erste Amtshandlung einen harten Ausnahmezustand verhängte. Er könnte tatsächlich der starke Mann werden, nach dem die Situation zu rufen scheint. Das aber wäre fatal.

Haiti braucht keinen Diktator und keine Interventionstruppen. Es braucht keine interventionistische Hilfe, die die Haitianer zu Objekten ihres guten Willens macht, keine Wahlen, an die niemand glaubt. Die letzten beiden Präsidenten hatten jeweils gerade mal 15 Prozent der Wahlberechtigten-Stimmen. Die Vorschläge, die jetzt alle aus der Mottenkiste der Containment-Strategie hervorholen, sind die Ursache für das haitianische Unglück.

Diese Strategie macht die Ressourcen Haitis, die immer noch vom Geist der Befreiung getragen werden, zunichte. Sie richtet sich gegen die Zivilgesellschaft aus jungen gut gebildeten Leuten, die sich mittlerweile transnational organisieren und die auf eine echte Demokratie zielen. Sie sind die ersten Opfer der Gang-Gewalt und sicher auch des Ausnahmezustands.

Ein notwendiger Politikwechsel der internationalen Unterstützer müsste sich auf einen offenen Prozess von unten einlassen, mit neuen Akteuren, die sich nicht vorschreiben lassen, was sie tun sollen. Doch dafür liegt die Halbinsel zu nah an der US-amerikanischen Küste.

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