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Moorburg wehrt sich gegen die Unterbringung ehemaliger StraftäterEin Dorf will nicht mehr

Drei ehemalige Sicherungsverwahrte sollen im Dezember in Hamburg-Moorburg einziehen. Das hat der Hamburger Senat beschlossen, ohne die Anwohner zu fragen.

Wie auf dem "Präsentierteller": In das vordere dieser Häuser sollen die ehemaligen Sicherungsverwahrten einziehen. Bild: Henning Scholz

MOORBURG taz | An diesem Nachmittag sind mehr Journalisten als Anwohner in Moorburg unterwegs. Seit der Hamburger Senat vergangenen Freitag seinen Beschluss bekannt gab, drei ehemalige Sicherungsverwahrte in Moorburg unterzubringen, ist das Dorf in den Schlagzeilen – wieder mal.

„Wir werden doch sowieso verarscht“, sagt Carola Tödter, Mitarbeiterin in Roli’s Laden am Moorburger Elbdeich, der hier so etwas wie die Hauptstraße ist. 780 Menschen wohnen im Stadtteil, positive Nachrichten gab es für sie in den vergangenen Jahren kaum: 1982 wurde das Dorf im Hamburger Bezirk Harburg zum „Hafenerweiterungsgebiet“ erklärt,

2007 begann Vattenfall in unmittelbarer Nähe ein großes Kohlekraftwerk zu bauen. Im vergangenen Jahr schließlich wurde Moorburg auch noch als Standort für eine Hafenschlick-Deponie ausgewählt. Wenn die geplante Autobahn 26 kommt, wird Moorburg irgendwann vom restlichen Harburg abgeschnitten sein.

Und nun die ehemaligen Straftäter, die im Dezember einziehen sollen, in ein zweigeschossiges Haus direkt an der Moorburger Kreuzung. Vier Bushaltestellen gibt es an ihr, sie ist an diesem Montagnachmittag der belebteste Fleck im ganzen Ort. Auf einem Hinweisschild steht in bunten Buchstaben „Kinderland Moorburg“. Kita-Leiterin Pia Fellechner sagt: „Besonders die Eltern, deren Kinder die Bushaltestelle benutzen, um zur Schule zu fahren, haben Angst.“ Sie spricht von einem „Präsentierteller“, auf dem sich die Kinder befänden – aber genauso auch die Männer in dem Haus.

Wer die drei Männer genau sind, das wisse man so ungefähr, sagt Manfred Brandt, Mitbegründer des Vereins „Mehr Demokratie“. Zwei sollen Sexualstraftäter sein, einer wegen Totschlages verurteilt. Brandt wohnt 800 Meter entfernt von dem Haus, um das es geht. Der Weg führt vorbei an großen Gärten mit Kaninchenställen, Schaukeln und Trampolinen. Es gibt viele alte Bauernhäuser rundherum, in einer Wiese zirpen Grillen.

„Angst ist etwas Subjektives“, sagt Brandt, „das kriegen Sie nicht weg.“ Es sei allen klar, dass die Männer irgendwo untergebracht werden müssen – aber Moorburg sei schon zu vielen Belastungen ausgesetzt. „Wie viel kann dieser Stadtteil noch ertragen?“

In der Wand des Hauses, in das die Männer ziehen sollen, sind Risse, die Blumenbeete davor sind top in Schuss – der Vormieter war Gärtnermeister. Oben ist Platz für drei Wohnungen, unten für Polizei und Therapeuten. Bislang leben die drei Männer in einem ehemaligen Altenheim in Hamburg-Jenfeld, doch der Mietvertrag dort läuft aus.

„Resozialisierung in Moorburg ist schräg an sich“, sagt Stephanie Grosshardt vom Runden Tisch Moorburg, der sich aus Bewohnern des Stadtteils zusammensetzt. „Wir haben keine Bank, keine S-Bahn, keinen Ticket-Automaten.“ Sie verweist auf einen Bürgerschaftsbeschluss von 1996: Er verpflichtet den Senat, die Lebensqualität in Moorburg zu erhalten. „Lebensqualität heißt auch Sicherheit“, sagt Grosshardt.

Der Runde Tisch, Brandt und die Kita wollen sich gegen den Senatsbeschluss zur Wehr setzen. An der Entscheidungsfindung waren sie nicht beteiligt worden. Der Runde Tisch fordert vom Senat, die anderen vierzehn Standorte offenzulegen, die er geprüft habe. „Der Protest richtet sich nicht gegen die Menschen selbst“, sagt Kita-Leiterin Fellechner. „Aber Moorburg hat einfach zu viel an den Hacken.“

Auch in Jenfeld protestierten Anwohner, als bekannt wurde, dass die ehemaligen Sicherungsverwahrten kommen würden – damals ohne Erfolg. Auch jetzt wird die Hamburgische Bürgerschaft nochmal über die Unterbringung in Moorburg debattieren – der Senat aber will bei seiner Entscheidung bleiben. „Als wir uns für den Standort entschieden haben, haben wir uns an objektiven Kriterien orientiert“, sagt Nicole Serocka von der Sozialbehörde. „Im Interesse der gesamten Stadt.“

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10 Kommentare

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  • J
    Jengre

    @susa

     

    Sorry, aber da gerade Sie bedienen nur Reflexe, Klischees, Vorurteile und diffuse Ängste (wenn auch die der vorgeblich augeklärten Seite).

  • F
    Friedel

    Es ist schon richtig das diese Menschen irgendwo leben müssen!!!- Unabhängig davon was sie verbrochen haben sind es Menschen und haben eben auch Rechte.- Allerdings ist Moorburg der falsche Platz.- Es gibt dort keine Möglichkeit zum Einkaufen, keine Ärzte in der Nähe nicht einmal einen Zigarttenautomaten in der Nähe!!.- Aber dafür 4!! Bushaltestellen von denen aus alle dort lebenden Kinder zur Schule fahren oder auch zu Freizeitaktivitäten aufbrechen.Nur 2 Häuser weiter ist die erste Familie mit Kindern!!In dörflicher Umgebung ist nicht die nötige Anonymität vorhanden, dort kennt jeder jeden und die Atmosphäre wäre dann geprägt von Angst und Unruhe.

  • B
    Brennessel

    Ich hörte letztens in der Hafencity wären noch ein paar Wohnungen frei. Da gibts auch keine Kinder.

  • S
    susa

    @Jengre:

     

    Bitte halten Sie sich doch an die Tatsachen. Tatsache Nr.1 ist, dass nur die Sicherungsverwahrten entlassen werden, bei denen die Gefahrenprognose negativ ist. Menschen, die also gerade _nicht_ als fortwährend gefährlich eingeschätzt werden. Tatsache Nr.2 ist, dass diese Menschen keineswegs "unkontrolliert" in die Freiheit entlassen werden: Sie sind einer Reihe von Auflagen unterworfen, arbeiten meist tagsüber in geschlossenen und überwachten Einrichtungen, und manche werden sogar polizeilich überwacht.

     

    Ich frage mich allerdings so langsam, ob die polizeiliche Überwachung nicht eher erforderlich ist, um die Ex-Sicherungsverwahrten vor einem von Bild und Konsorten aufgewiegelten Lynchmob zu schützen. Mir persönlich macht dieser Möchtegern-Lynchmob deutlich mehr Angst, als die Vorstellung, einen Ex-Sicherungsverwahrten in meiner direkten Nachbarschaft zu haben.

  • S
    Stefan

    warum nicht in Berne oder am Alsterufer oder in der Hafencity? Oder warum nicht in der Hafenstrasse oder im Gängeviertel?Oder in der Schanze. Wäre doch mal eine Bereicherung für unsere Reichen oder für Künstler oder für Linksintelektuelle. Vielleicht könnten ehemals Sicherheitsverwahrte dort als Erzieher umgeschult werden? Keiner schreit :Hier wenn es um die Unterbringung geht. Und das nicht ohne Grund. Es ist eine berechtigte Angst. Aber es wäre auch mal eine Chance zu sehen wie denn Reiche, Künstler, "In Viertel" etc auf eine reale gesellschaftliche Herausforderung so reagieren.

  • KB
    Karin Bryant

    Nach dem ich alle Kommentare zu diesem Thema gelesen hab kommen ich zu dem

    Ergebnis dass keiner der Leute die dafuer plädieren dass diese Sexualtäter in Moorburg

    Angesiedelt wurden in der Naehe oder gar in dem Ort lebt.Ich glaube auch nicht dass sie

    solche Nachbarn haben möchten,jedenfalls nicht wenn sie selber Kinder haben.

    Ich finde es total richtig dass die Moorburger davon In Kenntnis gesetzt wurden als ihnen

    die neuen Mitbewohner geschickt wurden.Schliesslich gibt es genügend Grund Kinder

    Vor diesen vorbestraften ,einschlägig bekannten Leuten zu schützen.das ist zwar

    ein Problem fuer die Maenner aber ein noch groesseres fuer die Moorburger.

  • J
    Jengre

    @Hanseatin

     

    Und wie stehen Sie zur Menschenwürde und dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung (oder sogar dem Lebensrecht) der nächsten Opfer, die es nicht vielleicht, sondern definitiv gibt, wenn als fortwährend hochgefährlich eingeschätzte Sexualstraftäter mit soziopathischen oder sadistischen Störungen unkontrolliert in die Freiheit entlassen werden? Es geht hier um eine Abwägung, die sich niemand leichtgemacht hat. Wer alle Vergewaltiger für therapierbar (und therapiewillig) hält, müßte nach der gleichen Logik wie manche Erzkonservative auch Homosexualität für "umpolbar" halten.

  • S
    susa

    Die anhaltende Treibjagd auf ehemalige Sicherungsverwahrte ist unerträglich. Wo immer diese Menschen hinverwiesen werden: Behörden und Medien kolportieren den neuen Wohnort in allen Details. Ja, auch ihr, liebe tazler, in diesem Artikel - muss das denn sein? Die ständige Polizeibegleitung (trotz negativer Gefahrenprognose - was soll das eigentlich?) tut ein übriges, die Vorstellung einer anhaltenden Bedrohung durch tickende menschliche Zeitbomben in den Köpfen der Bevölkerung zu zementieren. Ich sehe inzwischen keine andere halbwegs grundgesetzkonforme (Würde des Menschen und so ...) Vorgehensweise mehr, als diesen Menschen eine komplett neue Identität zu geben und jede Art polizeilicher Überwachung dauerhaft von ihnen abzuziehen. Ob damit dem Sicherheitsbedürfnis der Treibjäger besser gedient wäre sei mal dahingestellt ...

  • H
    Hanseatin

    Da hört das Demokratieverständnis von Herrn Brandt dann auf.... dabei ist auch die Resozialisierung ein Teil unserer Verfassung und ein wesentliches Element unseres Strafrechts. Einfach mal nachlesen. Das bildet, Herr Brandt. Es ist geradezu zynisch, die Zerstörung Moorburgs mit der Unterbringung dieser Männer zu vergleichen. Im Übrigen gilt auch für diese Männer das Prinzip der Freizügigkeit, im Prinzip könnten die hinziehen, wo sie wollten.

    Schon mal darüber nachgedacht, das eine Gesellschaft, die eine sein will, auch damit umgehen können muß und ja, wenn man es so ausdrücken will, muß sie das aushalten können. Diese Männer werden von Stadtteil zu Stadtteil geschubst, können keinen Schritt unbeobachtet machen und wenn sie dann dem Druck nicht standhalten, ist das Geschrei groß, ohne das jemand darüber nachdenkt, was da eigentlich wirklich passiert.

  • FB
    Frank Bittler

    Ohne die Wahlergebnisse von Moorburg zu kennen behaupte ich ganz frech:

     

    Die Moorburger bekommen was sie gewählt haben.

     

    Und ich gönn es ihnen von Herzen.