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Monumenta Kasperla

Ein Bauer furzt Feuer, zum Vorspiel gibt’s Verdi: Carl Orffs „Carmina Burana“ als gewaltig aufgeblasenes Spektakel, das alles herzeigt, aber nichts wirklich präsentiert

Kann man Erwachsene noch ins Kasperletheater locken? Ohne Probleme, wenn man es nur groß genug anlegt! So, wie das Regisseur Walter Haupt mit seiner Adaption von Carl Orffs „Carmina Burana“ in der Bremer Stadthalle jetzt vormachte.

Zu Anfang versuchte er krampfhaft, die hernach folgenden Kindereien in die E-Kultur zu wuchten: So gab es zur Einstimmung zwanzig Minuten „The Greatest Hits von Guiseppe Verdi“ zum Besten – fröhlich begleitet vom Brummen des Stadthallen-Heizgebläses.

Carl Orffs nannte sein Werk im Untertitel „Weltliche Gesänge von Sängern und Chören zu singen, begleitet von Instrumentalisten und magischen Bildern“. Allein um diese „magischen Bilder“ ging es bei der Aufführung – konsequenterweise wurden in allen Ankündigungen die Namen der MusikerInnen verschwiegen, dafür die korrespondierenden Quantitäten genannt: 300 Kostüme, 30 Tänzer und so weiter. Die Inszenierung wollte durch Imposanz überwältigen: Da schritt der Chor in Mönchskutten verhüllt mit Fackeln in den Händen durch die Halle, während ein großes „Feuerrad des Lebens“ entzündet wurde. Auf der Bühne war ein gigantischer Turm errichtet worden, auf dem die Tänzer und Gaukler heftigst herumturnten.

Die durchgehaltene Frequenz: mindestens ein Theatereffekt pro Minute. Immer wurde gerade irgendwo eine Magnesiumfackel entzündet oder ein neues Kostüm präsentiert. Aber dabei blieb es dann auch: Alles wurde hergezeigt, aber nichts wirklich präsentiert. Die einzelnen Bilder waren jeweils aufwändigst arrangiert, aber was fehlte, waren die guten Ideen. Dafür gab es immer wieder Knalleffekte: Da furzte ein Bauer Feuer, da saß eine Dirne mit riesigen Gummibrüsten rittlings auf einer Kanone und die ging mit einem riesigen Bums los.

Bei dem riesigen Aufwand waren viele Effekte dann aber doch wieder erstaunlich billig. Das über dem Boden geschwenkte blaue Tuch, das das Meer darstellen sollte, hatte man schon in der Augsburger Puppenkiste besser gesehen, und direkt aus deren Inszenierung des „Kleinen dicken Ritters“ schienen auch die Duelle beim Turnier auf Holz-pferden und mit Papp-Lanzen übernommen zu sein.

Wenn schon eine Bühnenshow so klotzt, dann hätte das Geld doch sicher auch noch für einen Vorhang gereicht, der das große Metallgestell mit den Seilen verdeckt hätte, an denen sich vier Grazien über die Bühne erhoben.

Aber all das schien das Publikum nicht zu verdrießen. Es reihte sich ein in die „Hunderttausende in mehreren Erdteilen“, die laut Pressetext schon von der Show zu „Beifallstürmen“ hingerissen wurden. Es war ja auch schön bunt, laut und simpel – eben wie das Kasperle.

Wilfried Hippen

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