Montenegro in den EM-Playoffs: Konvois aus den schwarzen Bergen
Historische Chance: Europas jüngster Fußballverband steht bei seiner ersten EM-Qualifikation sensationell in den Playoffs. Der Star des Teams spielt bei Juventus Turin.
Bei drei der vier Playoffduelle zur Fußball-Europameisterschaft, die am Freitagabend stattfinden, sind Teams aus dem ehemaligen Jugoslawien dabei. Neben Kroatien und Bosnien war allerdings der zweite Gruppenplatz Montenegros die größte Sensation bei der Vorausscheidung für die EM 2012.
In einer der schwierigeren Gruppen, mit England und der Schweiz als Gegnern, sorgten die Erfolge der "Mutigen Falken" dafür, dass die Trainer von Wales und Bulgarien zurücktraten und die Engländer zwischenzeitlich um den sicher geglaubten Platz 1 der Gruppe und damit den direkten Einzug in die Europameisterschaft bangen mussten. Beide Begegnungen zwischen den Falken und den Löwen waren Unentschieden ausgegangen (0:0, 2:2).
Dabei hatten auch die Montenegriner zwischendrin ein Trainerproblem. Der Kroate Zlatko Kranjcar wurde kurz vor Ende der Qualifikation im September entlassen und durch Branko Brnovic ersetzt. Gerüchteweise soll Kranjcar mehr Geld gefordert und mit einem Wechsel nach Kroatien kokettiert haben. Die 2:1-Niederlage gegen Wales dürfte aber ebenfalls ein Grund gewesen sein.
Freitag, 11.11.
20.00 Uhr: Bosnien-Portugal
20.05 Uhr: Türkei-Kroatien
20.15 Uhr: Tschechien-Montenegro
20.45 Uhr: Estland-Irland
Dienstag, 15.11.
20.05 Uhr: Kroatien-Türkei
20.15 Uhr: Montenegro-Tschechien
20.45 Uhr: Irland-Estland
22.00 Uhr: Portugal-Bosnien
Wenn Freitagabend das Playoff-Spiel gegen Tschechien in Prag angepfiffen wird, werden nicht nur 3.000 montenegrinische Fans, die in Auto- und Buskonvois vom Balkan angereisen, alles geben, um ihre Mannschaft anzufeuern. Ganz Montenegro wird das Spiel vor TV- und PC-Bildschirmen verfolgen. Keine Tageszeitung und wahrscheinlich kaum ein Kneipengespräch in Montenegro kam in dieser Woche ohne das Topthema aus: der "historische Auftritt".
Das Spiel gegen Tschechien in Prag ist ausverkauft, das Rückspiel in Montenegros Hauptstadt Podgorica sowieso. Laut Pressesprecher des montenegrinischen Verbands hätten gar doppelt so viele Karten verkauft werden können, doch das größte Stadion des Landes, Pod Goricom, hat gerade mal 12.000 Plätze.
Kleiner als Schleswig-Holstein
Das Land mit dem poetischsten Namen unter den europäischen Staaten, "Crna Gora", Schwarze Berge, ist kleiner als Schleswig-Holstein, hat aber mit 660.000 Staatsbürgern noch weniger Einwohner als das Bundesland. Montenegro ist Europas jüngstes Nationalteam. Nach der Loslösung von Serbien wurde es 2007 in den europäischen Fußballverband Uefa aufgenommen.
Dabei stammen aus Montenegro einige weltbekannte Spieler, wie Predrag Mijatovic, einer der weltbesten Stürmer, der 1998 Real Madrid zum ersten Sieg der Champions League schoss. Oder Dejan Savicevic, genannt "Il Genio", das Genie, der 1992 den AC Milan gegen Barcelona mit einem 4:0 zum Champions-League-Sieger machte und 1991 den Europapokal der Landesmeister und den Weltpokal mit Partizan Belgrad holte und heute Vorsitzender des montenegrinischen Fußballverbands ist.
Auch einige der derzeitigen Nationalspieler haben sich schon lange vor dem jetzigen Erfolg ihres Teams europaweit einen Namen gemacht. Schlüsselspieler und zentrale Figur auf dem Platz ist der 28-jährige, 1,86 Meter große Mirko Vucinic, Kapitän der Überraschungsmannschaft und Schütze des ersten Treffers Montenegros überhaupt: beim 2:1-Erfolg gegen Ungarn 2007. Der mehrfache Spieler der Jahres in Montenegro spielte ab 2006 beim AS Rom und stürmt seit September bei Juventus Turin.
"Das ist eine besondere Gelegenheit – für uns heißt es jetzt oder nie. Wir müssen für diese beiden Spiele so bereit sein, als wären es die letzten unserer Karriere", sagte Vucinic im Hinblick auf die Playoffs gegen Tschechien. Er mag es jedoch nicht, wenn er als Star der Mannschaft bezeichnet wird: "Wir haben diese Phase erreicht, weil wir als Mannschaft auftreten, nicht als Einzelpersonen."
Bestens vorbereitet
Vucinic ist auf den Gegner Tschechien bestens vorbereitet. Im Vorstand seines Turiner Clubs sitzt der ehemalige tschechische Nationalspieler Pavel Nedved. "Nedved sagte mir, dass es einen Unterschied gebe zwischen seiner Generation und dieser Mannschaft", sagt Vucinic. "Natürlich heißt das nicht, dass wir einen leichten Job haben. Aber wenn wir unser volles Potenzial abrufen, haben wir jede Chance auf einen historischen Erfolg."
Der zweite Angreifer der Montenegriner, Stevan Jovetic, ist seit 2008 Stürmer beim AC Florenz und wird derzeit heftig vom englischen Top-Club Arsenal umworben. Elsad Zverotic vom Schweizer Club BSC Young Boys, ist eigentlich rechter Verteidiger. Neben Vucinic führt er aber derzeit die Tabelle als Topscorer der Nationalmannschaft an. Trotzdem ist Zverotic vor allem eins, der Arbeiter im Team, der dem Rest den Rücken frei hält. Sein Motto: "Für uns ist nicht maßgebend, wann wir ins Bett gehen, sondern ob wir auf dem Platz bereit sind."
Sollten die Montengriner am Freitag gewinnen, werden sie wohl kaum früh ins Bett gehen. Stürmer Jovetic, der nach eigenem Bekunden noch nie in seinem Leben einen Schluck Alkohol getrunken hat, kündigte schon mal an, dass für diesen Fall sämtliches in Prag verfügbares Staropramen auf Ex ausgetrunken werde.
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