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Montagsinterview ADAC-Berlin-Chefin Dorette König"Straßenraum ist für alle da"

Ihr Mann hat einen Fahrradladen, sie selbst verzichtet auf einen Dienstwagen, wenn es mit dem Zug schneller geht. Dorette König, neue Chefin des ADAC Berlin-Brandenburg, kennt die Stadt nicht nur aus Autofahrerperspektive.

Dorette König wird im März Geschäftsführerin des ADAC Berlin-Brandenburg. Bild: Anja Weber
Interview von Kristina Pezzei

taz: Frau König, Sie werden hauptamtliche Geschäftsführerin des ADAC Berlin-Brandenburg, Ihr Mann hat einen Fahrradladen. Welche Diskussionen führen Sie zu Hause?

Dorette König: Darüber gar keine. Im Gegenteil, wir ergänzen uns sehr gut. Es gibt sehr viele ADAC-Themen, die auch mit dem Thema Fahrrad zu tun haben. Zum Beispiel haben wir ein Projekt, "Schüler machen Zeitung", da ging es einmal um Fahrradhelme. Da hat mir mein Mann abends noch alles Wichtige gesagt, wir haben zusammen ADAC-Broschüren durchgeblättert und gesehen, wo es Verbesserungsbedarf gibt. Also, zwischen unseren Bereichen überschneidet sich wirklich vieles.

Und was ist mit Streiten à la "Der Autofahrer nimmt mir immer die Vorfahrt" und "diese Radfahrer, die sich rechts vorbeidrängeln und dann noch bei Rot fahren"?

Ach, das ist doch ein Trugschluss. Mein Mann fährt sehr gern Fahrrad, aber er fährt mit dem Auto ins Geschäft, liefert damit Räder aus, fährt die Kinder in die Schule und zum Fußball. Wenn wir als Familie in den Urlaub fahren, tun wir das in der Regel mit dem Auto. In diesem Jahr machen wir eine Fahrradtour nach Kopenhagen. Es ist für uns kein Thema, dass das eine das andere ausschließt. Wir als ADAC haben viele Kunden, die sich ein Rad anstatt eines zweiten Autos kaufen - zum Beispiel bei uns in Königs Wusterhausen. Das geht auch nur dank des guten öffentlichen Nahverkehrs.

Warum fahren die Kinder nicht mit dem Rad zur Schule?

Wir wohnen in einem Ortsteil, Königs Wusterhausen ist weit verzweigt. Es ist nicht immer möglich, dass die Kinder mit dem Rad fahren, etwa wenn sie danach zum Schwimmen oder zum Fußball in einen anderen Ortsteil wollen. In Berlin ist das etwas anderes, da können viele Leute, die nicht zu weit weg wohnen vom Bahnhof, sagen: Uns reicht ein Auto für die Familie. Ein Partner nimmt das Rad mit in die Bahn, kann sich damit in Berlin bewegen. Das sind auch viele ADAC-Mitglieder.

Berlin ist die Stadt mit der geringsten Autodichte pro Kopf bundesweit. Was reizt Sie daran, ausgerechnet hier größte Autolobbyistin zu werden?

Als Mobilitäts-Lobbyistin können Sie mich gerne bezeichnen. Das ist auch der Grund, die Herausforderung anzunehmen: Ich habe den ADAC kennen gelernt als einen Verein, der sich für die Mobilität einsetzt. Ich finde hier sehr viele Themen, die ich richtig und wichtig finde und die kompetent angegangen werden. Wir haben in Berlin 1,2 Millionen Mitglieder aus allen Bereichen, die alle Mobilitätsformen in Anspruch nehmen. Wir haben jugendliche Mitglieder, die noch keinen Führerschein haben.

Wie halten Sie es selbst mit dem Autofahren?

Ich bin drei Jahre mit dem Regionalexpress zum Potsdamer Platz zur Arbeit gefahren, obwohl ich leidenschaftliche Autofahrerin bin. Wenn ich Alternativen habe, nehme ich andere Verkehrsmittel. Ich hätte einen Dienstwagen haben können, aber das war Unsinn: Ich brauchte mit dem Auto fast 30 Minuten länger. Und es war toll, im Zug Zeitung zu lesen. Aber wenn ich bis Mitternacht einen Termin hatte, dann habe ich das Auto genommen. Damit habe ich mich sicher und wohl gefühlt.

Dorette König

Frau aus dem Osten: Die 46-Jährige wuchs in Schwerin auf. Sie studierte in Kiew Volkswirtschaftsplanung und war bis zur Wende Mitglied der SED. Sie sei aus Überzeugung beigetreten und habe die Grenzen des Systems nicht gespürt, sagt König rückblickend. Erst nach ihrer Rückkehr aus Kiew habe sie begonnen zu zweifeln.

Frau der Wende: Nach dem Ende der DDR bildete sich König fort. Nach einem Exkurs in die freie Wirtschaft wurde sie zweite Geschäftsführerin der Brandenburgischen Bodengesellschaft, die frühere sowjetische Liegenschaften vermarktete. 2006 wird die zweifache Mutter Staatssekretärin in Potsdam unter Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD). Nach einem Jahr wechselt sie erneut in die freie Wirtschaft - aus persönlichen Gründen. Es habe etwas damit zu tun gehabt, welche Gestaltungsmöglichkeiten es gegeben habe, sagt König dazu.

Frau des ADAC: Zum 1. März wird König hauptamtliche Geschäftsführerin des ADAC Berlin-Brandenburg mit seinen 1,18 Millionen Mitgliedern. Sie wird damit eine der ganz wenigen Frauen in einer Führungsposition in dem Automobilverein. Dafür gibt König den Vorstandsposten in einer Immobilienfirma auf. Ihr Mann hat einen Fahrradladen in Königs Wusterhausen, wo die Familie lebt.

Trotzdem ist der ADAC nach wie vor aufs Auto fokussiert. Sie stellen sich nicht hin und sagen: Gleiche Rechte für alle Verkehrsteilnehmer. Sind die Straßen nur für Autos da?

Erst mal denke ich, Straßenraum ist für alle da. Wahrnehmung ist das eine, Zahlen sind das andere. Wenn wir morgen nur noch zehn Prozent Autoverkehr in der Stadt haben würden, dann wäre es eine Schieflage, dass wir so viel Straßenraum dem Auto zuweisen. Wenn aber, so wie es jetzt ist, der größte Anteil über den Individualverkehr abgewickelt wird - gemessen an der Verkehrsleistung -, braucht diese Gruppe den Straßenraum. Noch haben wir diesen Verkehr. Wir glauben, dass im 21. Jahrhundert Mobilität ein Grundbedürfnis ist. Die Menschen fragen das nach. Ich möchte auch zukünftig flexibel sein in der Wahl der Mobilitätsform. Ich möchte mir nicht vorschreiben lassen, womit ich mich fortzubewegen habe.

Sie könnten ja auch fordern, dass der Nahverkehr besser ausgebaut werden muss!

Das haben wir gemacht. Wir haben gesagt: Macht doch Angebote, dass die Pendler nicht aufs Auto angewiesen sind. Baut Park-&-Ride-Plätze, bessert das ÖPNV-Angebot auf. Noch sind viele aufs Auto angewiesen. Aber: Auch wenn man öfter den ÖPNV nutzen kann, heißt das nicht, dass ich kein Auto mehr brauche. Es sei denn, ich wohne in Berlin-Mitte und will von dort nicht weg.

Wenn wir schon gerade bei Brandenburg sind: Sie waren dort Mitte des vergangenen Jahrzehnts Staatssekretärin im Infrastrukturministerium. Halten Sie jede politische Entscheidung, die nach der Wende getroffen wurde, noch für richtig? Vielerorts wurden mit viel Geld Umgehungsstraßen angelegt für Ortschaften, in denen heute kaum einer mehr wohnt. Dafür ist für manche aufgerissene Landstraße kein Geld mehr da.

Brandenburg hat eins richtig gemacht: nach der Wende am Straßennetz ausgebaut, was ging. Umgehungsstraßen waren sinnvoll, weil so überhaupt gewerbliche Entwicklung möglich war. Sicher gab es auch Entscheidungen, die aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbar scheinen. Man ist von einer anderen wirtschaftlichen Entwicklung ausgegangen, man hat sich Synergien Berlin/Brandenburg erhofft, die so nicht eintrafen. In der Mehrheit hat Brandenburg die Mittel gut genutzt. Jetzt muss man sehen, wie man diese Straßen erhält - das ist eine ganz andere Herausforderung.

Kann man auf Dauer alle Straßen erhalten?

Das wird ein ganz spannendes Thema. In Brandenburg stellen sich völlig andere Fragen als in Berlin: Wie sichern wir die wirtschaftliche und touristische Entwicklung für Brandenburg? Was bedeutet es gleichzeitig für Mobilitätsformen, wenn immer weniger Menschen in der Region leben? Stichwort Alterspyramide: Man wird wahrscheinlich das Bahnnetz und den öffentlichen Nahverkehr nicht in dieser Form aufrechterhalten können. Welche Alternativen gibt es?

Haben Sie Antworten gefunden?

Wir sind dabei und werden Mitte des Jahres Antworten aus unserer Sicht haben.

Ein Punkt, in dem sich der ADAC von den Verkehrsplanern des Landes unterscheidet, ist die Prognose: Der Senat geht von abnehmendem Autoverkehr aus, Sie nicht.

Die Verkehre werden sich verschieben, aber sie werden nicht abnehmen. Wir werden immer ein vernünftiges Straßennetz brauchen, einen leistungsfähigen ÖPNV, ein gutes Fahrradstraßennetz. Wir möchten Sicherheit gewährleisten für alle Verkehrsteilnehmer. Da haben wir eine andere Auffassung als der ADFC; auch wenn wir mit Letzterem sonst gut zusammenarbeiten.

Nun kann man sagen: Die Verkehre sind so, wie sie sind, und deswegen müssen wir sie entwickeln. Oder ich sage: Wir möchten gern, dass sich der Verkehr in diese oder jene Richtung entwickelt, deswegen machen wir entsprechende Vorgaben. Schalte ich Ampeln nach Auto- oder Fußgängertakt? Nehme ich Autos Raum, um ihn Radfahrern zuzuschustern?

Wenn Sie es schaffen, die Verkehre zu bündeln, mit Hilfe eines Stadtautobahnnetzes zum Beispiel, können Sie natürlich Straßen entlasten. Dann können Sie Raum für Radfahrer schaffen. Wenn Sie aber nur davon ausgehen, dass ich die Leute diszipliniere, also: Ich mache die Straßen dicht und zwinge sie, umzusteigen - und Sie bieten keine Alternative an … da sage ich, das wird nicht funktionieren. Die Autofahrer werden sich ihren Weg woanders suchen, das haben viele Baustellensituationen gezeigt. Sie werden mehr Verkehr auf weniger Raum führen müssen und erreichen dadurch mehr Probleme. Das kann nicht Ziel einer lebenswerten Stadt sein.

Fahrradstreifen oder Radweg?

Ich fahre lieber auf Fahrradwegen, da fühle ich mich sicherer. Wir als ADAC sind aber nicht gegen Fahrradstreifen. Wir sagen nur: Wo man es trennen kann, sollte man es trennen.

Ich fahre lieber auf der Straße, weil ich mich da mehr wahrgenommen und sicherer fühle.

An den Knotenpunkten müssen die Sichtachsen so sein, dass Radfahrer wahrgenommen werden. Schwarze Schafe wird es allerdings immer geben. Wir haben im vergangenen Jahr eine Pressekonferenz mit Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer und dem ADFC gemeinsam gegeben und an die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr appelliert. Das war ein Novum.

Gleichwohl: Wenn Sie wahrgenommen werden, dann als Autolobbyist - gegen Tempo 30, für den Autobahnbau … Gibt es da noch etwas für Sie zu tun?

Wir arbeiten daran. Unsere Themen werden schon auch aufgegriffen, das braucht eben seine Zeit. Wir intensivieren unsere Programme zur Verkehrssicherheit und die Zusammenarbeit mit dem ADFC.

Diese Verbreiterung der Schwerpunktsetzung - hat das auch damit zu tun, dass nun eine Frau in den oberen Etagen mitmischt? Oder ist Ihre Besetzung ein Ergebnis dieses erweiterten Spektrums?

Nein, kein Ergebnis, der ADAC hat mich ja bewusst angesprochen. Es gab im Vorstand schon mal eine Frau. Es passt gut zusammen bei mir als Person. Der ADAC und ich haben uns kennen gelernt, als ich Staatssekretärin war, bei einem Projekt zur Verkehrssicherheit und zum Führerschein mit 17.

Sie sind 23 Jahre in der Immobilienwirtschaft gewesen. Auch so eine Männerdomäne.

Ich war die letzten drei Jahre angestellt bei einem internationalen Immobiliendienstleister, da war ich die einzige Frau in der 9-köpfigen Geschäftsführung. Auch vorher habe ich in Leitungsfunktionen vor allem mit Männern zusammengearbeitet. Frauen und Männer bringen unterschiedliche Stärken und Schwächen ein. In diesen kommunikativen Branchen bringen wir Frauen gute Eigenschaften mit. Man muss natürlich hart arbeiten und sich durchsetzen wollen. Aber man muss auch das Bedürfnis haben, sich wirklich in der Kommunikation weiterzuentwickeln. Ich habe mich vom operativen Geschäft ins Management entwickelt. Dort bin ich oft als Mediator in der Lage gewesen, Konflikte zu lösen. Ich sage nicht, dass ich bessere Ansätze hatte, sondern andere. So konnte ich mein Selbstbewusstsein stärken.

Quote oder nicht?

Ich bin für eine Quote mit der Maßgabe, sie nicht als Dogma zu sehen. Zumindest für eine Zeit wird man einen gewissen Druck brauchen. Verbunden werden muss das mit der Bereitschaft und der fachlichen Qualifikation; nur allein mit Quote ändert sich nichts.

Wieso sind Sie nicht an die gläserne Decke gestoßen, an der so viele Frauen scheitern?

Also ich bin manchmal auch an solche Decken gestoßen. Aber eine gewisse Grenze hat mich dann erst recht gereizt. Ich habe immer hart gearbeitet und einen Mann, der mich unterstützt. Ich habe zwei Kinder, und uns war immer klar, dass für mich Beruf und Familie gleich wichtig sind. Ich rede darüber auch mit meinen Kindern. Ich war das erste Mal Geschäftsführerin, da war mein Sohn drei Jahre alt. Für uns war immer wichtig, Dinge miteinander zu lösen. Es ist mir nichts geschenkt worden.

Ist das der ostdeutsche Hintergrund?

Es war schon eine Zeit des Umbruchs. Ich war gerade verheiratet, hatte eine kleine Wohnung und auf einmal stand alles in Frage. Was bedeutet das für meine Zukunft, die Ehe, Kinder? Wir haben uns dann gesagt: Packen wir es an. Einfach war es nicht. Ich habe erst sieben Jahre nach der Hochzeit mein erstes Kind bekommen, ich habe dann noch mal eine Abendschule besucht, eine Ausbildung in der Immobilienwirtschaft absolviert. Es ist gut für uns gelaufen, aber: viele Menschen haben Bruchstellen im Leben. Es ist wichtig, Veränderungen aufzunehmen und sie als Herausforderungen zu begreifen. So sehe ich auch meine Tätigkeit beim ADAC.

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1 Kommentar

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  • J
    Jessi

    Hallo Berta,

    lass uns über dieses Interview sprechen.

    Besos, Jessi