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Monster Mania

Godzilla-Fachleute gibt es viele, und die meisten von ihnen sind mindestens genauso phänomenal wie das Monster selbst. Kurz vor dem Kinostart von Roland Emmerichs Remake-Spektakel sind sie wieder da, die mitteilsamen Koryphäen im gereiften Studentenalter, allzeit bereit, einem zu erzählen, wie toll das damals in den Sonntagnachmittags-Vorstellungen immer war – erst erfolgreich an der Kassiererin vorbeigemogelt, weil die Godzilla-Klassiker dummerweise immer erst ab 16 waren, und dann bei Cola und Chips den herrlich schlechten Monster-Film genossen. Doch Nachfragen trennt auch hier den Blender vom Fachmann. Wer da nun genau in welchem Film wann und wie gegen wen oder was gekämpft hat und wer am Ende überlebt hat, ist letztlich egal, oder?

Denkste! Die richtigen Godzilla-Experten haben sich zum Zweck der Abgrenzung in Kompetenzfragen einen eigenen Terminus verpaßt: Tohologen. Diese Wissenschaftler der neuen Art benennen sich nach dem Filmunternehmen Toho Co. Ltd. So hieß die japanische Produktionsgesellschaft, die mit 22 Monsterfilmen in knapp 40 Jahren ihre ganz eigene Kinogeschichte geschrieben hat. Ein Tohologe zu werden bedeutet ungefähr den gleichen Aufwand wie sich in eine fremde Sprache einzuarbeiten. Man muß einfach alles wissen – von der korrekten Besetzungsliste über diverse Alternativ-Verleihtitel bis zur Auflistung sämtlicher Monsternamen.

Wer angesichts solch dezidierter Fachfragen in Schulterzucken verfällt, erhält jetzt die Chance, sich in einem zweiwöchigen Crashkurs das entsprechende Wissen für die anrollende Monster Mania reinzupauken. Das Abaton-Kino zeigt sieben hochkarätige Genre-Klassiker. Siebenmal wüten und toben sich diese unglaublichen Supersaurier durch das japanische Inselreich, verwüsten sämtliche Großstädte und stellen die Menschen Asiens vor schier unlösbare Probleme.

Für die angemessene Vermittlung ist auf diesem Festival ebenfalls gesorgt. Jörg Buttgereit ist einmal mehr bereit, etliche Monstertrailer zu zeigen und aus seinem Buch Monster aus Japan greifen an – Godzilla, Gamera & Co. zu lesen. Darin erzählt der Berliner Horror-Onkel, daß, im Unterschied zu den westlichen Trivial-Mythen um Monstren und Mutationen, die Geschichte von Godzilla und seinen Pappmaché-Kollegen nicht auf das Spannungsverhältnis von Vernunft und Irrationalität setzt. Das westliche Verständnis des Phantastischen basiert auf dem Nicht-Glauben der rational denkenden Protagonisten an die Existenz von Vampiren oder Werwölfen. Der Einbruch des Phantastischen in Form dieser Kreaturen erschüttert den Glauben an eine vollends beherrschbare Welt. Georg Seeßlen hat diese Unholde als „Halbwesen“ und als „Ausgeburten bürgerlicher Verdrängungsmechanismen“ interpretiert.

Die japanischen Monster hingegen müssen sich ihre Existenz nicht erst durch Aggression erarbeiten. Die Menschen in diesen Filmen nehmen Godzilla, Rodan oder Mothra als gegeben hin. Diese japanische Sicht der Dinge erinnert ans Märchen. Dort wimmelt es von Feen, Kobolden und Hexen, die aber werden zu keiner Zeit ernsthaft in Frage gestellt. Sie sind schrecklich, aber wahr. Die Filmgeschichtsschreibung hat in dem Ur-Godzilla-Film, den Inoshiro Honda 1954 inszeniert hat, eine Reaktion auf die unmittelbar erfahrene Nuklear-Katastrophe von Hiroshima gesehen.

Eine nicht lückenlose Analyse, da sich, wiederum im Gegensatz zum westlichen Phantastikverständnis, die japanische Gesellschaft im Film stets im Einklang mit der Wissenschaft befindet. Ein durchgeknallter Zahnarzt oder eine vom Ehrgeiz zerfressene Forscherfigur wäre im Japan der 50er und 60er Jahre nicht möglich gewesen. Der Wissenschaftler versteht die Welt richtig, also weiß er auch, wie einem Monster wie Godzilla begegnet werden muß – mit Liebe und Vernunft.

Frankensteins Höllenbrut: Do, 27. August, 22.45 Uhr; Do, 27. + Fr, 28. August, 15.15 Uhr. Frankenstein und die Monster aus dem All: So, 30. August, 22.45 Uhr; Sa, 29. + So, 30. August, 15.15 Uhr. Rodan: Mo, 31. August, 15.15 Uhr + 22.45 Uhr. Godzilla: Di, 1. + Mi, 2. September: 15.15 Uhr + 22.45 Uhr; Di, 15. + Mi, 16. September, 15.15 Uhr und 22.45 Uhr. Dämonen aus dem Weltall: Do, 3. + Fr, 4. September, 15.15 Uhr + 22.45 Uhr. U 4000 : Sa, 5. bis Mo, 7. September, 15.15 Uhr + 22.45 Uhr. Ghidra: Di, 8. + Mi, 9. September, 15.15 Uhr + 22.45 Uhr. Frankensteins Höllenbrut + Monster aus dem Weltall: Fr, 28. August, 22.45 Uhr. Frankenstein und die Monster aus dem All + Rodan: Sa, 29. August, 22.45 Uhr. U 4000 + Dämonen aus dem All: Fr, 4. September, 22.45 Uhr

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