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Monatelang auf Knien rutschen

■ Aldy Powell und Charlea Olaker, HauptdarstellerInnen von „Porgy and Bess“, erzählen von Freud und Leid des Musicalstars

Vor zwei Jahren wagte Klaus Pierwoß zum ersten Mal eine „Sommerbespielung“ des Theaters am Goetheplatz mit „Porgy and Bess“. Die Rechnung ging auf, so dass in diesem Jahr erneut George Gershwins 1935 uraufgeführte Volksoper – die tragische Liebesgeschichte zwischen dem verkrüppelten Porgy und der lebenslustigen Bess – auf dem Spielplan steht. Weil wir damals schon eine Kritik geschrieben und der Aufführung des New York Harlem Theatre eine dreistündige Buntheit und Spannung bescheinigt haben, soll diesmal ein Gespräch mit den Hauptdarstellern die Resonanz auf die Premiere dieses „Meisterwerkes der Opernliteratur“ (Lorin Maazel) sein. Aldy Powell und Charlea Olaker erzählen, warum sie diese Arbeit so lieben. Beide sind klassisch ausgebildete Sänger. Olaker wuchs von der lyrischen Stimme – Susanna, Despina – zur großen Koloratur: Sie singt Donizettis Lucia, Mozarts Königin der Nacht und die Konstanze, Verdis Traviata. Powell ist ein großer Bass. Eine seiner Lieblingspartien ist der Philipp in Verdis „Don Carlos“.

taz: Frau Olaker, die Rolle der Bess ist ja sehr ambivalent. Im Flyer steht, sie sei leichtlebig. Kann man das wirklich so sagen, nur weil sie zwischen drei Männern eigentlich nicht klarkommt?

Charlea Olaker: Eine solche Einschätzung dieses Charakters ist in der Tat oberflächlich. Sie ist sehr labil, und deswegen kommt sie in falsche Gesellschaft. Sie hat niemand außer Crown. Als der weg ist, nimmt Porgy sie auf mit seiner soliden und gutmütigen Seele. Ja, und Sporting Life folgt sie natürlich wegen Drogen, die sie braucht. Sie ist schon sehr labil, weil sie immer eine Zuwendung braucht, aber als leichtlebig fasse ich sie nicht auf....

Rein von der Story her: Könnte diese Geschichte auch unter Weißen spielen? Die Erben Gershwins wachen ja sorgfälig darüber, dass das Stück nur von Schwarzen gespielt wird.

Aldy Powell: Für mich ist es eine Menschengeschichte, das müssen nicht Schwarze sein.

Olaker: Für mich schon. Und zwar wegen der Musik, der es gelingt, eine Mentalität und Denkweise zu schaffen, die deutlich von der Unterdrückung spricht.

Sie finden also, dass der Weiße Gershwin das gut gemacht hat? Er hat ja immerhin einige Monate bei den schwarzen Fischern auf Folly Island verbracht, um ihre Lebensgewohnheiten, ihre Tänze und Spirituals zu studieren...

Olaker: Er hat das fabelhaft gemacht. Er versteht das Musical-Idiom und er stellt die richtigen Fragen. Er hatte eine große Wertschätzung für die Schwarzen. Natürlich können Weiße das, wenn sie die richtigen Studien machen. Ihm ist es perfekt gelungen.

1993 ist diese Produktion angelaufen, in Deutschland in Rüsselsheim. Sie singen und spielen die Rollen nun seit Jahren. Was sind denn die Nach- und die Vorteile einer jahrelangen gleichen Rolle? Gibt es eine schädliche Routine?

Olaker: Auf keinen Fall. Also erstens singen wir ja auch noch andere Sachen zwischendurch, das ist anders als das übliche En-suite-Spielen bei Musicals. Dann: Es ist einfach ein so gutes Stück, dass es sich nie erschöpft. Ich finde immer neue seelische Töne darin ... Und wenn Stücke gut sind, dann kann man einen Charakter immer mehr vertiefen. Das Negative bei mir persönlich ist, dass die Bess eine lyrische Partie ist. Und wenn ich die zu lange singe, habe ich riesige Probleme, mir die Koloraturen zurückzuerarbeiten. Das ist eine gesangstechnische Frage.

Powell: Der Nachteil ist, ich muss drei Stunden lang auf den Knien rutschen und das dann über Monate ... Das ist nicht so toll. Und je länger man diesen Stil singt, desto schwerer wird es, zurückzukommen zu anderen Komponisten. Wir müssen hier Dialekt singen, das heißt auch gesangstechnisch in einen Charakter einzutauchen, der eben anderes ausschließt.

Welches ist denn die beste Sprache für die Stimme?

Powell: Italienisch.

Wie gefällt Ihnen das Publikum in Bremen?

Olaker: Wunderbar, deswegen sind wir zurückgekommen. Wir fühlten eine große Wärme.

Powell: Wir machen so was ja nicht fürs Geld, sondern fürs Herz. Und wenn wir es mit dem Herzen machen, kommt das auch zurück. Das ist ein Kreislauf.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

Bis zum 6. August sind 24 Vorstellungen von „Porgy and Bess“ mit dem New York Harlem Theatre am Goetheplatz geplant. Aufführungen sind jeweils von Di-So um 20 Uhr, Sa und So auch um 15 Uhr. Eintrittspreise können erfragt werden unter Tel.: 365 33 33.

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