Monarchie in Schweden: Ein dreifaches Ooooohhhhh
Kronprinzessin Victoria heiratet ihren Daniel. In Berlin lädt die schwedische Botschaft zum Public Viewing mit Hochzeitstörtchen und großem Entzücken. Das Bier hat nicht gereicht.
Weinen ist ausdrücklich erwünscht! "Schämen Sie sich nicht Ihrer Tränen, Sie werden nicht allein sein." Botschafterin Ruth Jacoby gibt die Linie für den Nachmittag vor. Frühsommer, Spaß, schwedische Traditionen kommen in ihrer Rede auch vor, die eigentlich die falsche ist, wie sie mittendrin bemerkt. Vielleicht war es die Rede zum Public Viewing der schwedischen Mannschaft bei der Fußball-WM, die leider nie gebraucht wurde. Egal, passt auch so, auf Hochzeit und Adel. Wo schon nix ist mit Fußballeuphorie, lädt die Schwedische Botschaft in Berlin eben alle Schwedenfreunde und Schwedenbekannte zum Hochzeitsbetrachten ein. Und wenn Kronprinzessin Victoria sich mit Daniel Fitnesstrainer Westling vermählt, ist zumindest der grobe Fortgang schon abzusehen.
Die Botschafterin improvisiert eine Rede über die enge Verbundenheit Schwedens mit Deutschland, über die "überwiegende Mehrheit der Schweden, die die Monarchie weiter wünscht" (56 Prozent) und über den Fleiß, die Bescheidenheit, Ernsthaftigkeit, Natürlichkeit der Braut. Und natürlich hat Schweden eine der modernsten Monarchien der Welt, schließlich gingen die Königskinder alle auf öffentliche Schulen. Alles fein, aber die Torte wartet.
Hinter den Zuhörern steht nämlich das Buffet aus Konditoreiwaren, das dann auch flugs eröffnet wird. Hochzeitstorte - kreiert von Patrik Fredriksson (schwedische Koch-Nationalmannschaft) - vor der Trauung. Die mehr als hundert geladenen Gäste verzehren Häubchen aus Sahne und Marzipan, dazu gibt es Bier, Schwedenquell, und für die Kinder Hochzeitskutschfahrten und Krönchenbasteln. Viele kleine Prinzessinnen in gestreiften Kleidchen winken mit Papierflaggen, die großen tragen feine, geblümte Röcke, wie es sich für eine Sommerhochzeit gehört. Viele Fotos könnte man hier schießen für den Schwedentourismuskatalog.
Tatatata, kurz vor 15.30 Uhr ertönt eine Fanfare, Stürmen des Public-Viewing-Bereichs im Vorraum der Botschaft. Die Sitzplätze sind schnell weg. Stehen also. Besserer Blick auf die Welt hinter der Lamellenfassade der Nordischen Botschaften - und auf den Christopher Steet Day. Draußen tanzen Männer mit nackten Oberkörpern vorbei, drinnen fotografieren Männer in Anzügen die Leinwand ab, auf der das ZDF unter dem Logo "Royal" all die Krönchen und gekrönten Häupter zeigt, die in der "Storkyrkan" in Stockholm Platz nehmen.
Draußen Bummbummbumm, drinnen der Psalm 201 und die Ansprache: "Die Ehe, gestiftet zum Bestand der Gesellschaft". "Das ist krass", sagt ein Zuschauer drinnen, "Das ist Berlin." Und über Bummbummbumm draußen als Klangteppich legt sich ein Ooooooohhhh ums andere, als Zeichen der kollektiven Rührung.
Ein kräftiges Ooooooohhhh: Einzug der Braut. DAS KLEID. Aus cremefarbener Duchesse-Seide, mit breiter Schärpe um die Taille, entworfen vom schwedischen Modeschöpfer Pär Engsheden. Fünf Meter lange Schleppe, vier Meter länger als die ihrer Mutter, Silvia, die vor genau 34 Jahren König Carl XVI. Gustaf in derselben Kirche geheiratet hat. Spitzenschleier und Diadem wie damals. So schön, so schlicht. Irgendwem fällt dauernd eine Kuchengabel runter. Dazu lästige Kommentare wie beim Fußball-Viewing: "Ein Diadem ist eine Halskette, oder?" Ein anderer führt kritisch an: "Was der Steuerzahler dafür wieder hingeblättert hat."
Übertönt von einem neuen Ooooohhhhh: Der Bräutigam. ER WEINT. Prinz Daniel von Schweden und Herzog von Västergötland wischt sich nach den Trauworten eine Träne von der Wange, die riesige schwarze Brille verdeckt weitere. Der Übersetzer hinkt beim Jawort hinterher.
Absolut rührendster Moment, dreifaches Ooooohhhhh: DAS LIED. "When you tell the world youre mine", im Duett, sie strahlt und zwinkert, er himmelt sie an.
Letztes Ooooohhhhh: DER KUSS. Auf der Domtreppe. Total spontan und gar nicht geplant, meinen die ZDF-Reporter.
Und darauf mal ein lautes: Buuuhhhh. Das ZDF sendete gefühlte 24 Stunden mit 50 Reporter und wandelte im Märchenland. Beispiele: "Sie schreiten Hand in Hand durch das Tor zum großen Glück." "Ich glaube, die werden immer glücklich sein." "Ich glaube, dass die beiden füreinander bestimmt sind." Da sind Rosamunde und Inga am Sonntagabend schon weiter.
Victoria und Daniel halten Händchen, strahlen einander an. Schrecklich schön, schrecklich perfekt. Ist das nicht auch ein wenig langweilig? Kein bisschen, meint Helena Wallander, 41. Die Schwedin lebt seit 30 Jahren in Deutschland und ist ganz angetan von der Natürlichkeit der beiden. Sehr authentisch sei das alles. Und das gelebte Märchen. "Einigen Schweden ist gar nicht bewusst, welches Aushängeschild die Königsfamilie ist", sagt die PR-Spezialistin.
So emotional, so natürlich, so verliebt, schwärmt es ringsum, während die echten Hochzeitskugeln, Halloren aus Halle mit Bild des Brautpaares im Schachteldeckel, probiert werden. Auf der Leinwand fahren Daniel und Victoria nun Kutsche, später mit der Schaluppe übers Wasser. Rund 250.000 Schaulustige sind es in Stockholm, in Berlin üben drei Damen jenseits des klassischen heiratsfähige Alters das gelenkschonende Winken. Draußen wird schon das Pralinenbuffet abgebaut. Kleine Schlange vor dem Gratulationsbuch, das direkt ans Brautpaar geschickt wird. Ikea Berlin, der Regisseur der "Inga Lindström"-Filme und ein Carl Philip, der gleich mal nach Victorias Bruder benannt ist, senden darin ihre Wünsche.
Eine Besucherin wartet auf die Balkonszene. Die Ansprache zum Volk. In dieser Festatmosphäre zu gucken sei schöner als zu Hause, sagt sie. Ihre beiden kleinen blonden Mädchen spielen draußen. "Das hat eine magische Anziehungskraft", sagt sie. "Die Leute sehen gern so was Schönes. Es ist romantisch." Leider ist man in der Botschaft eher in Aufräumstimmung. Bevor das Brautpaar auf dem Balkon ist, ist das Fest vorbei. Ein Mann im Anzug und Dreitagebart mosert, das Bier sei alle und überhaupt, könnten die von der Botschaft da mal mehr springen lassen, die geben doch sonst auch das Geld freudig aus, aber plötzlich wolle man Sparwillen demonstrieren.
Geweint hat in der Botschaft nur die Reporterin vom Rundfunk Berlin-Brandenburg.
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