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■ Mögliche OrteDrehung, Testlauf

Wenn jemand mit vollen Koffern und Taschen das Haus verläßt, aber statt in Richtung Bahnhof sich nur durch die Nebenstraßen seines Wohnviertels bewegt, ist er unterwegs zum Waschsalon.

Dort treffen diejenigen, die sich weigern, mit einer eigenen Waschmaschine ein weiteres Zeichen der Seßhaftigkeit zu erwerben, auf die Unterprivilegierten der Stadt, die sich das Gerät nicht leisten können. Leute, die hierherkommen, haben etwas Vagabundierendes an sich. Der Gang in den Waschsalon demonstriert den unfertigen Zustand ihres Daseins.

Laden, Zahlen, Knopfdruck, Wasserrauschen. Nach wenigen Minuten trägen Hin- und Herschaukelns der Wäsche setzt schnelles Drehen ein. Das dumpfe Brummen der Maschine wird zum hohen Pfeifen, Karos verwandeln sich in Streifen. Bis zum Ende des Waschgangs bleiben 35 Minuten. Jetzt kann man andere Wartende in unterschiedlichen Stadien der Erschlaffung beobachten.

Man bekommt aber auch diejenigen zu Gesicht, die sich der aufkommenden Langeweile mit allen Mitteln zu entziehen versuchen. Die sich in Buch oder Zeitung vertiefen, kaum daß sich ihre Wäsche zu drehen angefangen hat. Oder eilig aus den automatenbetriebenen Anstalten verschwinden, um Besorgungen zu machen oder spazierenzugehen.

Diese Leute haben keinen Sinn für die Geräusche der Maschinen und vermutlich noch weniger für die Parade der Gewöhnlichkeit, die sich hier abspielt. Sie fürchten den Stillstand, der einsetzt, wenn beflissene Müßiggänger mit einer gewissen Kindlichkeit die sich drehende Wäsche betrachten.

Den Leerlauf scheuend, würden sie sich vermutlich ängstigen, ohne Beschäftigung sitzenzubleiben, wenn das geschäftige Surren der Maschinen einem das Gefühl einflößt, nicht gebraucht zu werden. Notorische Dynamiker wissen nichts anzufangen mit einem Raum, in dem die gleichförmige Einfarbigkeit der roten oder gelben Maschinen herrscht. Sie sind nicht interessiert an der Vorhersehbarkeit, mit der das Programm abspult. Die Geräusche der drehenden Wäsche machen sie verrückt. Es sind vermutlich die gleichen Menschen, die Testbilder nicht leiden können.

Diejenigen aber, die froh darüber sind, eine halbe Stunde zum Nichtstun gezwungen zu sein, geben sich dem Dösen hin. Hier ist die Reizflut, die einem in der Außenwelt entgegenschlägt, drastisch reduziert. Faszination entsteht daher leicht. Das maschinelle Gebrumm wird zum Singsang. Dann zieht schon ein einzelnes buntes Kleidungsstück Aufmerksamkeit auf sich, kleinste Zeichen von Eleganz ebenfalls. Denn hier dominieren Nachlässigkeit, stumpfe Farben und Einfachheit.

Bessere Stücke kommen nicht hierher. Sie werden von Hand gewaschen oder der Obhut der Leute von der chemischen Reinigung anvertraut. Auch die Kleidung, die die Waschsalon-Besucher am Leib haben, zeichnet sich durch eine Lässigkeit aus, die zum Häßlichen neigt. Denn der Waschsalon ist in den öffentlichen Raum verlagerte Privatsphäre. Hier geht man hin wie in den Keller. Wären Kittelschürzen noch verbreitet – hier wären sie zu sehen.

Die Formen, mit denen die Wartenden die Waschzeit überbrücken, werden um so merkwürdiger, je leerer ein Waschsalon ist: Mit der Anzahl der Zuschauer sinken die Hemmungen, den Ort zum Spielplatz zu machen und sich die wenigen Utensilien zunutze zu machen. So versuchen manche, sich in einen der runden Körbe zu zwängen, mit denen sonst die Wäsche herumgefahren wird, und beginnen wüst zu strampeln.

Grelles Neonlicht trennt den Waschsalon vom Rest der Welt. Jede Ecke ist ausgeleuchtet, als gäbe es in ihr etwas Außergewöhnliches. Die Helligkeit betont die geisterhafte Leere, die man erleben kann, sobald keine Kundschaft da ist. Auch herrscht hier völlige Abwesenheit von Luxus, strenge Funktionalität und Normierung. Die Salons unterscheiden sich nur durch ihre jeweilige Größe und unterschiedlichen Grade von Verschmutzung. Die tonnenförmigen Schleudern kommen bereits einer Verzierung, einem Extra gleich, ebenso die Heißmangeln, denn sie werden nur selten benutzt.

So gibt es wenig, was von Wäsche und Wäschern ablenkt. Man ist mit der Entscheidung allein, sich auf die Bewegungen der Maschine zu konzentrieren oder, auf das Hin und Her der Wäsche starrend, Tagträumen freien Lauf zu lassen. Friederike Freier

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