Mögliche Konsequenzen des Brexit: Britische Finanzindustrie wird nervös
Laut Studie eines Branchenverbands könnte ein „harter Brexit“ Milliarden kosten. Premierministerin May gibt sich trotzdem kompromisslos.
BERLIN taz | Premierministerin Theresa May will den Zugang zum EU-Binnenmarkt für britische Unternehmen erhalten, Zuwanderung aus den EU-Mitgliedsländern will sie im Gegenzug aber nicht akzeptieren. Das erklärte May am Mittwoch auf dem Parteitag ihrer konservativen Regierungspartei. Für EU-Vertreter sind diese Forderungen widersprüchlich – freier Zugang zum Binnenmarkt geht in der EU normalerweise einher mit der Freizügigkeit beim Personenverkehr.
Wenn die EU hart bleibt, wird May eine der Positionen noch aufgeben müssen. Am Wochenende hatte sie auf dem Jahresparteitag noch klargemacht, dass die Interessen der britischen Finanzindustrie, die auf den Zugang zum Binnenmarkt drängen, nicht privilegiert behandelt werden würden.
Der Finanzbranchenverband TheCityUK legte jetzt prompt eine neue Studie vor, die die Beratungsfirma Oliver Wyman für den Verband erstellt hat: Die britische Finanzindustrie könnte bis zu 38 Milliarden Pfund an Umsatz einbüßen, heißt es in der Untersuchung. 75.000 Arbeitsplätze in Großbritannien seien gefährdet.
Außerdem sei zu befürchten, dass bis zu 10 Milliarden Pfund, etwa 11 Milliarden Euro, weniger Steuern eingenommen werden. Das entspricht einem Sechstel des Steueraufkommens der britischen Finanzindustrie.
75.000 Arbeitsplätze könnten durch den Brexit wegfallen
Die Studie geht dabei von einem harten Brexit-Szenario aus, bei dem Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt verliert. Britische Firmen müssten dann eine Niederlassung in EU-Ländern haben, um dort ihre Dienstleistungen anbieten zu dürfen. Könnte das Land den Zugang zum Markt behalten, seien nur 4.000 Arbeitsplätze bedroht. Die Autoren der Studie betonen, dass die Arbeitsplätze nicht in die EU abwandern, sondern komplett wegfallen würden.
Auch die großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren, dass der Brexit der EU und Großbritannien wirtschaftlich schaden wird. Profitieren könne jedoch der Finanzstandort Frankfurt.
Leser*innenkommentare
Urmel
"Wenn die EU hart bleibt, wird May eine der Positionen noch aufgeben müssen."
Das bleibt abzuwarten, denn dabei wird oft übersehen, dass z. B. die derzeitigen Exporte von D nach GB wesentlich über denen von GB nach D liegen. Ein rigoroses Kappen des Warenverkehrs träfe offensichtlich Deutschland weitaus härter als Großbritannien. Möglicherweise muss es also eher lauten:
"Wenn May hart bleibt, wird die EU eine der Positionen noch aufgeben müssen."
Radl Rambo
Die Selbsterfundene-Rechte-EU-Wirtschaftsdoktrin ist ja schon fast lustig, wenn es nicht so traurig wäre.
Warum glauben die Rechten eigentlich immer, dass die Wirtschaft, die EU und andere Handelspartner sich genauso verhalten, wie es auf ihrer Wunschliste an den Weihnachtsmann steht?
Träumen darf man ja, aber was man nicht darf, das ist mit ungeheuerlichen Lügen die Abstimmung zu verfälschen, Fakten schaffen an die sich alle wider besseres Wissens halten müssen und danach nur noch mit dem Prinzip Hoffnung mittels selbsterfundener wirtschaftlicher Entwicklungen argumentieren, solange bis die Katastrophe zum Schaden aller eintritt.
Geben sie doch zu: Die Verhandlungsposition von GB ist mehr als miserabel:
1. Die EU verhandelt nicht. Sie kann GB nur genau das anbieten, was sie N oder CH angeboten hat. Da gibt es nur zustimmen oder nicht.
2. GB ist vom Handel mit der EU zu >50% abhängig. Umgekehrt ist die GB lediglich am zu 8% am Warenhandel der EU beteiligt. Wer kann da wohl leichter darauf verzichten?
GB ist verloren, sowohl wirtschaftlich als auch Nationengebilde, da Schottland und N-Irland gerne auf diesen Unsinn verzichten und aus GB austreten!
Aber eigentlich freue ich mich schon darauf wenn mal "gefühlte AfD Realitäten" die Wirklichkeit kennen lernen dürfen. Da darf man auf interessante Politiker-Reaktionen dieser in Provokationen, Leugnen und Unwahrheiten geübten Auf-der-Maus- ausrutschenden-Hobby-Politiker gespannt sein!
Urmel
Sie schreiben unter anderem: "Die EU verhandelt nicht."
Wir werden sehen......
Zudem: Ich kann mich genau an die Untergangsprophezeiungen erinnern, mit denen die Schweizer Bürger zur Zustimmung eines EU-Beitritts genötigt werden sollten. Diese Szenarien haben sich dann nicht nur als blanker Unsinn entpuppt – wirtschaftlich ist nämlich das exakte Gegenteil dessen eingetreten. [...]
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