Mögliche Koalition nach Hamburg-Wahl: Grüne wollen "Politikwechsel" mit CDU

Für die Grünen ist nach der Hamburg-Wahl Tag X gekommen: Eine Landeskoalition mit der CDU ist erstmals eine realistische Option. Diese zwingt die Parteiführung zum Verbal-Spagat.

Gerade noch als "Kohle von Beust" beschimpft, nun möglicher Partner der Grünen: Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Bild: dpa

BERLIN taz Für die Grünen ist in Hamburg der Tag X gekommen: die erste Wahl in einem Bundesland, nach der eine schwarz-grüne Koalition die wahrscheinlichste Option neben einer großen Koalition ist.

Seit dem Ende von Rot-Grün im Bund 2005 schieben die Obergrünen in Berlin die Tür nach rechts auf - gegen den Widerstand der Basismehrheit, die auf Parteitagen das Programm eher links festzurrte. Besonderer Vorteil in Hamburg: Rot-Rot-Grün scheidet so gut wie sicher aus, also ist Schwarz-Grün als einzige und bessere Alternative zur großen Koalition verkaufbar.

Und so kommt es, dass plötzlich Sätze gesagt werden, die noch vor Tagen undenkbar schienen. Grünen-Chefin Claudia Roth etwa sagte am Montag vor einer Vorstandssitzung in Berlin, es gehe darum, "zu einem Politikwechsel zu kommen". Einen Politikwechsel also mit jener CDU, die Hamburg bereits seit 2001 regiert. Die grüne Fraktionsvizechefin im Bundestag, die Hamburgerin Krista Sager, ermunterte ihre Partei via Fernsehsender N24, "jetzt nicht den Eckensteher zu machen, sondern tatsächlich auf Inhalte zu gucken". "Inhalte", das ist das Wort der Stunde in der Grünen-Führung und für Coparteichef Reinhard Bütikofer eher Anlass zu Skepsis. Er betonte Differenzen zur CDU wie den geplanten Bau eines Kohlekraftwerks und die Schulpolitik in der Hansestadt. Der grüne Bremer Umweltsenator Reinhard Loske riet, "Schwarz-Grün auf jeden Fall ernsthaft in Erwägung zu ziehen" und bei den Inhalten auf das Nein zum Neubau des Kohlekraftwerks zu beharren: "Das dicke Kohlekraftwerk, das die CDU da vorhat, das geht überhaupt nicht."

In den ersten Reaktionen waren die Grünen-Parteispitzen zunächst so undeutlich wie möglich geblieben. "Es verbieten sich von hier aus Koalitionsspekulationen", erklärt Parteichefin Claudia Roth zurückhaltend in Berlin. Der Hamburger Landesverband werde "sehr verantwortlich mit dem Ergebnis umgehen". Ihr Parteichefkollege Reinhard Bütikofer erklärte aus Hamburg, das Ergebnis sei "spannend". Man denke jetzt zwar über alles Mögliche nach, "aber wenn ich hier sage, wir denken über Schwarz-Grün nach, heißt das gleich, wir wollen Schwarz-Grün".

Fraktionschefin Renate Künast war ein klein wenig direkter geworden. Sie sagte zur taz, ihr Wunsch für eine Hamburger Regierungsbildung "geht weit über Hamburg hinaus". Die Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl 2009 habe längst begonnen. Und dafür "will ich keinen Lagerwahlkampf mit immer tiefer ausgehobenen Gräben" zwischen dem rot-(rot)-grünen und dem schwarz-gelben Lager. Nun müsse der Hamburger Landesverband sehen, wie er seine Forderungen für Bildung und Umwelt umsetzbar sind.

Der Vizefraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, erklärte der taz: "Jetzt haben wir in Hamburg die gleichen Verhältnisse wie in Hessen auch." Er formulierte die Hamburger Knackpunkte Kohlekraftwerk, Elbvertiefung und Bildung so, als sei eine Koalition mit der Union unwahrscheinlich.

Vieles scheint möglich, in Hamburg könnte sich die deutsche Politik verändern. Das spürt man auch bei der CDU. Die bundesweite Signalwirkung einer ersten schwarz-grünen Koalition wäre immens. Entsprechend groß war das Interesse der CDU-Mitglieder, die am Sonntagabend zahlreicher als sonst in die CDU-Zentrale in der Hauptstadt gekommen waren. Das Ergebnis freute die meisten ziemlich uneingeschränkt. Dass Ole von Beust nicht allein weiterregieren kann, hatten sie erwartet. Die Aussicht, stattdessen mit den Grünen ein Bündnis zu bilden, schreckte hier kaum jemanden. Im Gegenteil. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla machte schon in seiner Stellungnahme nach den ersten Hochrechnungen aus Hamburg deutlich, wie die Präferenzen der Bundespartei aussehen. Bürgermeister Ole von Beust habe nun "die Möglichkeit einer Mehrheitsbildung mit den Grünen wie mit der SPD", sagte Pofalla. Wunschpartner Nummer eins, die Partei, die zuerst genannt wird, das ist auf einmal die Partei der einst als Ökospinner-Schreckgespenster verspotteten Grün-Alternativen. Natürlich müsse über die Regierungsbilder von Beust entscheiden, sagte Pofalla pflichtgemäß, aber er mache aus seiner Meinung keinen Hehl: Wenn es mit der FDP nicht reiche, "dann halte ich Schwarz-Grün in Hamburg für eine ernst zu nehmende Variante" - ja mehr noch, Angela Merkels Generalsekretär schwärmte bereits von einer "politischen Landschaft mit einer schwarz-grünen Koalition in Hamburg". Aber ist die Union bundesweit wirklich schon so weit, das zu begrüßen?

Hörte man sich im Konrad-Adenauer-Haus um, müsste Pofalla nicht mehr allzu viel Überzeugungsarbeit leisten. "Tja, wenns mit der FDP nicht geht", sagte ein Brandenburger Christdemokrat schulterzuckend, "dann wäre Schwarz-Grün auf jeden Fall das geringere Übel als eine große Koalition." Die Union, sagt er, wäre "auf die Dauer schlecht beraten, wenn sie nur mit der SPD oder FDP könnte". Ein älterer Parteifreund hat zwar noch Zweifel, aber auch sagt über die Grünen: "Wenn die vernünftig werden und von ihren Ideologien Abstand nehmen, ist das machbar."

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