Moderator Hugo Egon Balder: „Fernsehen versaut. Radio nicht“
Hugo Egon Balder moderiert als „Radiolegende“ bei „Radio Eins“. Ein Gespräch über die Öffentlich-Rechtlichen, äußerliche Konventionen und Startum.
taz: Herr Balder, vermissen Sie das Radiomachen?
Hugo Egon Balder: Manchmal. Nicht immer. Radio ist an sich etwas Wunderschönes, es regt die Fantasie der Hörer an, man kann als Moderator aussehen wie man will, kann theoretisch aus dem Bett liegend moderieren...
Wieso sind Sie dann überhaupt im Fernsehen?
Weil es sich damals so ergeben hat. Ich hatte ja auch vor meinen Radiozeiten schon Fernsehen gemacht. Außerdem hat sich damals die Radiolandschaft extrem verändert, der Sender für den ich arbeitete, Radio Luxemburg, ist aufgeteilt worden, ich musste etwas anderes machen.
Als Sie schon einen Radionamen hatten, aber noch nicht auf der Straße erkannt wurden – war Ihr Leben besser oder schlechter?
Klar, das war auch gut. Auf der anderen Seite finde ich, wenn man einen solchen Job macht, sein Gesicht in die Öffentlichkeit hält, dann muss man damit leben. Ich halte nichts davon, wenn Leute alles dafür tun, berühmt zu werden, und dann nur noch mit Sonnenbrille herumlaufen, damit sie keiner erkennt. Das ist Schwachsinn. Außerdem ist das Angesprochenwerden glücklicherweise ja auch nicht immer unangenehm.
Nicht alle schaffen es aus dem Radio ins Fernsehen – wieso hat es bei Ihnen geklappt?
Weiß ich auch nicht genau. Wahrscheinlich ist es Glücksache. Man muss eben zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute treffen. Ich bin damals für Radio Luxemburg sehr viel herumgereist, stand auf Bühnen, insofern kannten die Leute tatsächlich auch mein Gesicht. Aber es hielt sich alles im Rahmen – das war eh der einzige Privatsender, den es gab.
Der Moderator: Hugo Egon Balder wurde 1950 in Berlin-Schöneberg geboren, spielte in den 60ern in der deutschen Psychedelicband „Birth Control“, arbeitete nach Radio Luxemburg-Erfahrungen während der 90er in einer irren RTL plus „Erotik-Spielshow“ namens „Tutti Frutti“ mit jeder Menge barbusiger junger Damen zusammen, und ist heute erfolgreich als Produzent und Moderator verschiedener Privatfernsehen-Comedy-Formate, wie der Sat 1-Show „Genial daneben“.
Die Idee: Ab 28. Januar moderieren im Berliner rbb-Radiosender Radio Eins täglich zwischen 10 und 13 Uhr „Radiolegenden“ (legendäre ModeratorInnen mit teilweise steilen TV-Karrieren) eine persönliche Morgenshow. Den Anfang macht Hugo Egon Balder, es geht weiter mit u.a. Steffen Hallaschka (der bei Stern TV gelandet ist), Carmen Thomas (man darf es kaum sagen: Schalke 05!), Frank Elstner und selbstverständlich Thomas Gottschalk.
Ist es bei Frauen anders, die den Transfer vom Radio zum Fernsehen wollen? Denn tatsächlich kommt fast jede Fernsehgröße, ob Sie, Gottschalk, Jauch, Elstner oder Götz Alsmann, ursprünglich vom Radio, bei bekannten Moderatorinnen ist das nicht so...
Das stimmt. Es gibt ein paar Ausnahmen, wie Stefanie Tücking zum Beispiel, aber die Anzahl der Männer mit anschließender Fernsehkarriere ist unbestritten höher. Warum das so ist.. tja...
Weil Frauen stärker an äußerliche Konventionen gebunden sind? Eben doch vor allem hübsch sein müssen?
Ich denke mal, das ist der Grund. Stimmt natürlich nicht immer, auch umgekehrt nicht.
Gibt es im Radio, das ja oft in Persönlichkeiten und Themen regional bleibt, überhaupt nationale Größen?
In den USA gibt es die bestimmt, und zum Beispiel in dem Sender, den ich höre, SWR 3, gibt es natürlich – wie überall anders auch – Spitzenleute, die senderübergreifend bekannt sind. Aber durch die Veränderung der Radiolandschaft – und auch der Fernsehlandschaft – sind so viele Privatsender dazugekommen, dass es ein Überangebot gibt, vielen Hörern wird es einfach Zuviel. Frank Elstner hatte – und er hatte mit vielem recht – auch damit recht, als er sagte: Man muss die Hörer morgens mit der ersten Sendung an sich binden. Der Hörer schaltet nicht mehr um, und das Radio läuft den ganzen Tag.
Darum sind die Morgensendungen im Radio das Aushängeschild des Senders...
So ist es. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und bleibt – im Gegensatz zum Fernsehen – gern bei einer Station. Das liegt unter anderem daran, dass man eben niemanden sieht, es ist anonymer. Fernsehmenschen kommen dagegen zu einem ins Wohnzimmer – die Zuschauer haben immer den Eindruck, man kenne sich gegenseitig...
Formatradio ist stark strukturiert, einerseits hat der Moderator immer wieder Zeit, sich zu sammeln, das nächste Häppchen vorzubereiten, andererseits steckt er eben in einem engen Rahmen – mögen Sie das?
Bei uns war es damals glücklicherweise ein bisschen einfacher, wir hatten freie Hand mit dem, was wir gemacht haben. Wir mussten natürlich Werbe- und Nachrichtenzeiten einhalten, ansonsten war es wurscht. Was mich heute aber vor allem bei den Privatsendern stört, ist die permanente gute Laune, und das Zugejingelt-Werden, das geht mir wahnsinnig auf den Keks.
Es gibt relativ wenig Berichterstattung über Radioinhalte, die Macher sind kaum bekannt, dabei ist Radio das einzige Medium, dessen Quoten nicht fallen oder das kurz vor dem Konkurs steht. Wieso genießt Radio keine höhere Wertschätzung in der Mediengesellschaft?
Vielleicht fühlen sich Radiomacher selber immer ein wenig in der zweiten Reihe. Wenn irgendwo ein Event stattfindet, und alle Medien sind da, werden sie auch tatsächlich teilweise von den TV-Kollegen so behandelt. Das sind dann natürlich Leute, die keine Ahnung haben, aber das ist wirklich ein Problem: Fernsehen versaut. Radio nicht.
Ich hoffe, ich darf das nach dem Autorisieren drin lassen...
Es ist so! Gott sei dank gilt das nicht für alle. Aber Radiomenschen stehen einfach von vornherein nicht unter einem so starken Druck, darum können sie alles entspannter angehen. Viele Radiosendungen sind tausendmal besser als Fernsehsendungen!
Finden Sie unser bestehendes Rundfunksystem in Ordnung?
Die Diskussion ist völlig zu recht gerade im vollen Gange. Ich finde es ungerechtfertig was die Öffentlich-Rechtlichen machen. Es ist schön und gut, dass es einen Bildungsauftrag gibt, dass der in irgendeinem Staatsvertrag mal verankert wurde, aber die Frage stellt sich: Wann wurde das gemacht? Warum wurde das gemacht? Die Zeiten haben sich geändert, man muss umdenken. Auf der anderen Seite wären die Öffentlich-Rechtlichen ohne Gebühren überhaupt nicht in der Lage zu überleben! Das ist genau wie beim Theater: Große Stätten werden ohne Ende subventioniert, man sieht wirklich viel Müll, und die kleinen Privattheater, an denen ich ja auch spiele, müssen sich selber finanzieren.
Wenn Sie das schon öffentlich sagen – könnten sich nicht noch mehr bekannte Kritiker zusammentun?
Das werden die nicht machen. Man sägt ja nicht an seinem eigenen Stuhl. Ich bin ja auch nicht strikt dagegen, dass die Öffentlich-Rechtlichen unterstützt werden, es geht nur um das Wie. In diesem neuen Gebührensystem hat man jedenfalls ein paar Fehler gemacht. Das muss überarbeitet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht