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Modemacher kritisiert MerkelBürger Karl mag nicht mehr

Karl Lagerfeld „verabscheut“ Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik. Er erwägt nun, seinen deutschen Pass zurückzugeben.

Das gekalkte Drahthaar. Magnifique! Foto: ap

Berlin taz | Es ist viel Wasser die Seine hinuntergeplätschert, seit Karl Lagerfeld in Paris lebt. Vor 66 Jahren hat der Modeschöpfer Deutschland verlassen, um von Frankreich aus zu zeigen, wie Handwerk, Stil und Dandytum in aufregende Kreationen münden können. Lagerfeld, Spross eines Hamburger Kondensmilchfabrikanten, wurde in Paris zum Gott der Haute Couture. Seine Arbeiten für Balmain, Fendi oder Chanel sind Legende. Seiner Selbstinszenierung als Gesamtkunstwerk beiwohnen zu dürfen ist seit Jahrzehnten Quell steter Freude. Die Fächer. Die Brillen. Die Diäten. Das gekalkte Drahthaar. Magnifique!

Aber jetzt, mit bald 85 Jahren, reicht es Karl Lagerfeld nicht mehr, schöne Frauen und Männer mit Ultrasonnenbrillen und Dobermännern in Szene zu setzen. Im französischen Magazin Le Point umreißt er auch seine Gefühlslage gegenüber der Kanzlerin seines Herkunftslandes. Er „verabscheue“ Angela Merkel wegen ihrer Flüchtlingspolitik, sagt er da. Mit ihrer Entscheidung aus dem Jahr 2015, die Dublin-Verordnung für Geflüchtete außer Kraft zu setzen, habe sie die AfD im Bundestag erst möglich gemacht. „Wenn das weitergeht, gebe ich die deutsche Nationalität auf.“ Er wolle nicht „Teil dieses Neonazi-Klubs sein“.

Voilà! Was für eine Analyse aus sicherer Entfernung. Schutzsuchende einzig als Problem zu betrachten ist bekanntlich eine Spezialität ebenjenes Klubs, dem anzugehören Karl Lagerfeld so dringend vermeiden möchte. Von vergleichbarer Güte war bereits seine Einlassung vor wenigen Monaten, nach dem Mord von Nazi-Deutschland an Mil­lio­nen Juden könne die Bundesregierung heute nicht „Millionen der schlimmsten Feinde“ der Juden ins Land holen.

Nun also: Adieu, Allemagne! Anders als man vielleicht meinen mag, ist Lagerfeld kein französischer Staatsbürger. Vielmehr verfügt er über den bundesdeutschen Pass sowie den von Monaco. Herausragende Merkmale des Fürs­ten­tums sind drangvolle Enge, Steuerfreiheit sowie Lagerfelds Freundschaft mit Caroline von Monaco, die in Chanel-Kostümen einfach großartig ausschaut. Dort ist Lagerfeld also hochwillkommen. Aber kann er seine Staatsbürgerschaft tatsächlich einfach zurückgeben wie eine missglückte Seidenrobe an seine Schneiderinnen?

Die von Lagerfeld geschmähte Bundesregierung mag sich nach seiner Auffassung fahrlässig in eine Art Naziknechtschaft begeben – so weit, dass ihre Behörden nicht arbeiten würden, ist es in Deutschland aber nicht. Das Bundesverwaltungsamt weiß Rat für Leute wie ihn.

Da er bereits über einen zweiten Pass verfügt und für ihn die Wehrpflicht nicht mehr gilt, könnte Bürger Karl die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit problemlos beantragen. Die Beamten sagen auch, wo: „Wenn Sie im Ausland leben, senden Sie Ihren Antrag an das Bundesverwaltungsamt, am besten über die zuständige Deutsche Botschaft.“ In Paris wäre das dann in der Rue Marbeau Nummer 24.

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20 Kommentare

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  • Herr Lagerfeld, machen wir es mal ganz einfach: Die AfD im Bundestag wurde ermöglicht, weil eine Anzahl von Bürgern deren Menschen verachtende Politik teilt. Dagegen gilt es zu argumentieren!

    Mit Ihrer Argumentation bestätigen Sie jedoch das rechte Gedankengut. Ihre Aussage lautet im Klartext: Hätte Frau Merkel 2015 die Geflüchteten ihrem Schicksal überlassen (Wie auch immer wäre das möglich gewesen?), wäre die AfD nicht im Bundestag. Die Wähler hätten also einen "guten Grund" gehabt, ihre Stimme dieser Partei zu geben. Welche anderen "guten Gründe" sollte es geben? Am Gedankengut dieser Wähler anzusetzen, wäre notwendig. Schuld an der Tatsache, dass sich so viele Menschen auf der Flucht befinden, sind einzig allein die Lebensumstände in deren Herkunftsländern. Wer vor Krieg, Gewalt und Elend flieht, hat ein Recht auf Schutz! Ich freue mich darüber, wenn Geflohene in unserem Land Zuflucht und Unterstützung bekommen.

  • Martin Walser, Quincy Jones und jetzt auch Karl Lagerfeld...

     

    Ist die deutliche Darstellung von Altersdemenz nicht etwas rücksichtslos von der Öffentlichkeit?

  • Warum denn Frankreich? In Russland bekommt Lagerfeld die Staatsbürgerschaft verliehen und spart Steuern. Mal G. Depardiew und O. Mutina fragen.

  • 9G
    99663 (Profil gelöscht)

    go, karli go! steuermonegassen braucht deutschland nicht als bürger. wenn er und seinesgleichen ihre fälligen abgaben in sozialstaaten wie deutschland oder frankreich bezahlen würden, hätten wir vielleicht weniger probleme mit leuten, die die afd wählen.

  • So alt ist der schon? Da ist der ja selbst noch Nazi gewesen :D Insofern bloß den Pass behalten, sonst ist nachher nicht mehr klar, zu welcher mörderischen Bande er gehört. Soviel haben wir doch mindestens im tarantinoschen Kino gelernt.

    • @emanuel goldstein:

      Ein Nazi, der bei der Kapitulation 1945 11 war...

  • Oh Gotte wie furchtbar! Wir verlieren den Karl Lagerfeld!!! Was machen wir da nur?!!!

  • Bürger Karl? Mach Bosse.

     

    "Machen sie Platz - ich bin Tante"

     

    Jau. "Er plappert über Gott und die Welt.

    Nein, Tante Karl kann sich einfach nicht zurückhalten.

    Er lässt sich über die europäische Idee aus und über das ihm suspekte "Gefühl von Kollektiv- und Erbschuld" der Deutschen, er preist Eugen Drewermann und schimpft auf Kohl, und weil er sich sein Geplapper nicht merken kann, lobt den Kanzler nur zwei Jahre später mit demselben Aplomb. Er konstatiert entzückt, dass "die Ungerechtigkeit der Charme des Lebens" ist, und verweist als Gegenbeispiel auf das böse DDR-Gleichmacherregime, er würzt seine Rede mit französischen Ausdrücken und Zitaten von Goethe und Claudel , er schwärmt vom 18. Jahrhundert, weil man sich für sein Geld "noch was Schönes kaufen" konnte, und als er nach so viel Welt endlich auf Gott kommt, erklärt er: "Wenn ich meine religiöse Einstellung beschreiben sollte, würde ich sagen: calvinistisch, mit etwas Port Royale und einem bisschen Quietismus:"

    Und warum nicht auch noch eine Prise Kreuzigung dazu?!"

    Eben.

    &

    Da bleibt doch angesichts der neuen "Heimathorstmi"welle!

    &

    Gellewelle. Söders "Kreuze zu Amtsstuben" nur zu sagen.

     

    "Na Servus - Mach et - Tante Karl!"

    &

    unterm------------->

    "Tante Karl" by Maxim Biller aus "Hundert Zeilen Hass"

    &

    Na. Aber - TEMPO TEMPO - Kare! Pfiat di.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Schade, ich mochte ihn ja. Auch die Lästereien über Heidi Klum:

     

    "Ich kenne sie nicht. Claudia kennt die auch nicht. Die war nie in Paris, die kennen wir nicht."

     

    Aber die dumpfbackige Gleichung, dass eine humane Geste zu den Wahlerfolgen einer Nazi-Partei führt, die ist dann doch zu viel.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Eine Gleichung, also Mathematik, ist relativ unbestechlich.

      Sie ist nur richtig oder falsch.

      Und ohne Flüchtlingskrise hätten wir wahrscheinlich keine AFD im Bundestag.

      Oder sehen sie das anders?

      • @Peterbausv:

        Ob Milchmädchenrechnungen - schon Mathematiken sind -;) Einfach mal in Bergisch Läapsch beie Heidi Klumps - nachfragen. Kann nur richtig oder falsch sein.

        Na - Si´cher dat. Da mähtste nix. Ganz unbestechlich - kerr.

        Normal.

  • Welch Service seitens der taz. Wohlan, Karl, mach et!

  • Der Hefezopf hat wohl eine Line zuviel gezogen...