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StandbildModelleisenbahnig

„Neonnächte – Der U-Bahn-Schlitzer“ Mi., 20.15 Uhr, RTL

Die Frau ist gefährlich, zumindest redet sie so. Ermittlerin Stein droht Männern, bei ungebührlichem Verhalten gewaltsam das Genital zu entfernen, ist mit den Graffitisprayern im U-Bahnschacht auf Du und Du und gibt sich auch sonst ganz hartgekocht. Schade nur, dass Marie Bäumer die Kommissarin als Mischung aus Domina und Abi-Streich-Erfinderin gespielt hat. Aber das war noch das kleinste Problem in diesem RTL-Thriller um eine U-Bahn-Mordserie, der ohne jedes Gespür für Zeit, Raum und Psychologie zusammengeschustert wurde.

Wer höflich sein will, lobt die wirren Kamerafahrten und verpatzten Anschlüsse als Werbeclip-Ästhetik. In Wirklichkeit lässt sich jedoch die konsequente Abwesenheit eines dramaturgischen Konzepts durch nichts schönreden. „Der U-Bahn-Schlitzer“ taugte weder als Furcht einflößender Slasher-Streifen noch als postmodernes Referenzpuzzle – auch wenn alles wie geklaut wirkte: die Close-Ups auf die zerschlitzten Leichen etwa, die alles zu zeigen vorgaben, die brenzligen Details jedoch lieber aussparten. Oder der Mörder, der am Ende am Steuer einer U-Bahn minutiös über seine grausamen Taten berichtete, aber in seiner dämonischen Ausstrahlung noch hinter einem Guido Westerwelle zurückblieb. Oder die Unterwelt eines metropolitanen Verkehrssystem, die ungefähr so verrucht rüberkam wie das Modelleisenbahntableau in einem Reihenhauskeller.

Gegen so viel inszenatorische Inkompetenz und darstellerisches Unvermögen in diesem von jeglicher Plausibilität befreiten Zitatdelirat konnten auch die Charakterköpfe von Thomas Heinze als weichwangiger Schnösel und Jochen Nickel als pockennarbiger Prolet nichts ausrichten. Umso schlimmer, wenn sich dann doch mal um psychologischen Erfindungsreichtum bemüht wurde. Grausam: die Szene, in der Kommissarin Bäumer beim Cocktail Staatsanwalt Heinze als schüchternen Menschenfreund entlarvt. Da wollte man weinen.

Christian Buß

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