piwik no script img

Mobutu erklärt seinem Land den Krieg

■ Zaires Präsident verhängt den Ausnahmezustand, läßt Premierminister Tshisekedi verhaften und ernennt einen General zum neuen Regierungschef. Die Stadt Lubumbashi fällt trotzdem an die Rebellen

Der Krieg in Zaire hat gestern die Hauptstadt Kinshasa erreicht. Soldaten verhafteten den vor einer Woche zum Premierminister gekürten Oppositionsführer Etienne Tshisekedi und versuchten, Tausende zu seinem Schutz versammelte Anhänger mit Tränengas zu vertreiben. Tshisekedi war am frühen Morgen unter dem Schutz einer Menschenmenge zu Fuß in seinen Amtssitz aufgebrochen, um seine Kabinettssitzung zu leiten, die turnusgemäß jeden Mittwoch stattfindet. Die Konfrontation mit dem Militär erfolgte vor dem Regierungsgebäude.

Am Dienstag abend hatte Präsident Mobutu den Ausnahmezustand verhängt, womit das Verbot politischer Demonstrationen verbunden ist. Dies wiederum folgte auf Aufmärsche von Tshisekedi- Anhängern vor dem Parlamentsgebäude in Kinshasa am Montag und Dienstag, um die Abgeordneten an einem Mißtrauensvotum gegen Tshisekedi zu hindern.

Beobachter meinten, mit ihren Straßenprotesten habe die Opposition um Tshisekedi in Kinshasa eine zweite Front gegen Mobutu eröffnet, dessen Armee seit Monaten erfolglos gegen die Rebellen der „Allianz demokratischer Kräfte für die Befreiung von Kongo/Ex-Zaire“ (AFDL) kämpft. „Mobutu will zeigen, daß sein Regime sich nicht lebendig begraben lassen will“, sagte Journalist Ladi Luya gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Zur Verwirrung trug bei, daß der Ausnahmezustand offiziell „auf Vorschlag der Regierung“ verhängt wurde, womit wohl nicht Tshisekedi gemeint war. Aber auch der vor zwei Wochen abgesetzte Vorgänger Tshisekedis als Premierminister, Kengo wa Dondo, dementierte, etwas mit dem Ausnahmezustand zu tun zu haben.

Während Tshisekedi in seinem Haus unter Arrest gestellt wurde, ernannte Mobutu den Heeresgeneral und Ex-Verteidigungsminister Likulia Bolongo zum neuen Regierungschef. Dazu ernannte er neue Militärgouverneure für die fünf Provinzen Zaires, die er noch beherrscht. In einem weiteren Versuch, Stärke zu zeigen, hatten seit Montag abend Einheiten der Präsidialgarde versucht, den Fall der südzairischen Stadt Lubumbashi an die AFDL aufzuhalten. Gestern rückten die Rebellen dennoch in Lubumbashi ein.

Rebellenchef Laurent-Désiré Kabila hatte am Vortag erstmals Mbuji-Mayi besucht, die gerade eroberte Hauptstadt der Provinz Ost-Kasai. Es ist gleichzeitig die Hochburg von Etienne Tshisekedi, den Kabila zuletzt scharf als „Marionette Mobutus“ verurteilt hat. Augenzeugen zufolge war die zu Kabilas Begrüßung aufmarschierte Menge deutlich kleiner als in anderen Städten. Kabila kündigte den Vormarsch seiner Truppen auf Kinshasa an und sagte, die AFDL stünde bereits in der Provinz Bandundu, die unmittelbar östlich von Kinshasa liegt. Aus der Hauptstadt war zuvor berichtet worden, fliehende Regierungssoldaten hätten bereits mit der Plünderung der Stadt Kikwit begonnen, 500 Kilometer von Kinshasa entfernt. D.J.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen