Mobilität: Der Traum von der grünen Welle
Bald soll es die dritte Strecke geben, mit "grüner Welle" für Radler. Doch die Planung ist komplex – vor allem Busse dürfen so nicht gebremst werden.
Auf die perfekte grüne Welle müssen Berliner RadfahrerInnen noch lange warten. Zwar gibt es bereits einen Straßenabschnitt, wo die Ampelanlagen entsprechend geschaltet sind – und laut Senatsverkehrsverwaltung soll nun bald eine weitere Pilotstrecke verwirklicht werden. Dass es in absehbarer Zeit überall in der Stadt fahrradfreundliche Ampelschaltungen gibt, ist dagegen so gut wie ausgeschlossen. Das liegt an der Komplexität der Sache, aber auch an der Schwerfälligkeit der Behörden bei der Umsetzung.
Erst im April wurden vier „Lichtsignalanlagen“ – so heißen Ampeln in schönem Verwaltungsdeutsch – auf der Belziger Straße in Schöneberg neu programmiert. Radfahrer, die mit einer Grünphase starten und im Mittel 16 bis 18 km/h schnell sind, können auch über die folgenden Kreuzungen bei Grün rollen. Das Projekt geht auf die Initiative der Verkehrslenkung Berlin (VLB) zurück.
Derweil untersucht eine Forschungsgruppe der TU mit Fördermitteln des Bundes acht Straßen bzw. Straßenabschnitte auf ihre Grüne-Welle-Tauglichkeit. Einen der Vorschläge will die Verkehrsverwaltung umsetzen, wenn das Gutachten voraussichtlich Anfang November vorliegt. In der engsten Auswahl stehen Abschnitte zweier Straßen: der Uhlandstraße in Charlottenburg-Wilmersdorf und der Wilhelmstraße in Mitte/Kreuzberg.
Burkhard Horn, Abteilungsleiter Verkehr in der Senatsverwaltung, dämpft Hoffnungen auf großflächige Ampelschaltungen, die Radfahrern das Leben erleichtern würden: Die Thematik sei „sehr komplex, und wir wollen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“. Vor allem sei zu vermeiden, dass der ÖPNV – konkret: der Busverkehr – durch veränderte Rotphasen ausgebremst werde: „Das soll nicht kaputtgemacht werden.“
Laut dem Verkehrsplaner Thomas Richter, der die TU-Studie leitet, liegt die Problematik einer Rad-Welle in der deutlich höheren Geschwindigkeitsstreuung von Radlern im Vergleich zu Pkws: Manch einer trödelt mit weniger als 10 km/h herum, während ambitionierte Fixie-Besitzer an der 30-km/h-Marke kratzen. Der festgelegte Mittelwert von ca. 20 km/h komme längst nicht allen zugute. Um den Vorteil bei einer Umsetzung möglichst gut zu nutzen, schlägt Richter vor, Schilder anzubringen, die signalisieren: Wer hier zügig fährt, aber auch nicht sprintet, wird mit Grün belohnt. Darüber hinaus macht auch der Wissenschaftler den Radlern wenig Hoffnung: „Eine flächendeckende grüne Welle für Radfahrer ist in Berlin nicht möglich.“
Richter und Horn betonen, es komme sehr auf den Einzelfall an. Viele Parameter seien zu berücksichtigen, vor allem der exakte Abstand der Ampeln sowie die Verkehrsdichte. Und in der Radverkehrs-Modellstadt Kopenhagen, wo es bereits mehrere grüne Wellen gebe, funktioniere es auch nicht perfekt.
Die Radfahrlobby wäre über grüne Wellen natürlich erfreut. „Wir finden das grundsätzlich sehr gut“, so das Bloggerkollektiv „Alle Macht den Rädern“. Ständiges Anhalten und Anfahren senke die Alltagstauglichkeit des Fahrrads gewaltig. „Nicht umsonst sieht man viele Radfahrer, die sich das Anhalten oft sparen.“ Es gebe aber einfachere Mittel, Radlern das Leben zu erleichtern: In Frankreich etwa kämen seit 2012 neue Schilder bzw. Lichtsignale zum Einsatz, die ihnen das vorsichtige Überfahren einer roten Ampel erlauben.
Bernd Zanke vom Vorstand des ADFC fordert zwar, die grüne Welle solle in vielen Hauptstraßen „zum Regelfall werden“. Er verweist aber auch auf die zeitraubende Bearbeitung solcher Maßnahmen durch die verschiedenen Verwaltungsebenen: Schon die Aufhebung der Benutzungspflicht für einen Radweg könne anderthalb Jahre bis zur Umsetzung in Anspruch nehmen. Außerdem habe die Verkehrslenkung die Ampel-Programmierung outgesourct, und temporäre Veränderungen – etwa bei Umleitungen – hätten Vorrang.
Zanke sieht deshalb in der grünen Welle für Radfahrer „nicht die vordringlichste Baustelle des ADFC“. Dagegen drängt er auf die Ausweitung der Radstreifen. „Das dient der Sicherheit und ist vorerst wichtiger.“
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