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MittelkürzungSenat streicht Geld für Obdachlosen-Ambulanz

Caritas-Einrichtung betreut immer mehr Menschen aus Osteuropa. Dafür könne der Staat aus rechtlichen Gründen nicht mehr zahlen, heißt es aus dem Senat.

Wohin bei Krankheit? Obdachlose Frau mit ihren Habseligkeiten. Bild: dpa

Weil die meisten ihrer Patienten aus Osteuropa kommen, muss die Obdachlosen-Ambulanz am Bahnhof Zoo künftig ohne Zuschüsse vom Senat auskommen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales bestätigte, dass die bislang gezahlten 100.000 Euro pro Jahr ab 2012 komplett gestrichen werden. "Wir werden diese Menschen trotzdem weiterbehandeln", sagte Thomas Gleißner, Sprecher des Berliner Caritasverbandes, am Dienstag der taz.

Die Charlottenburger Ambulanz ist die älteste ihrer Art in Berlin. Seit 1992 werden Obdachlose kostenlos behandelt. Zwar haben auch Nicht-Krankenversicherte laut Gleißner ein Recht auf reguläre medizinische Behandlung. "Aber die meisten Obdachlosen sind gar nicht wartezimmerfähig." Sie kämen in elendem Zustand, mit Lungenentzündungen oder blutenden Wunden, die zum Teil mit Maden befallen seien.

Rund 3.500 Patienten behandelte die Obdachlosen-Ambulanz im vergangenen Jahr, 15 bis 20 sind es laut Gleißner pro Tag. Während allerdings die Patienten aus Deutschland immer weniger werden, steigt seit der EU-Osterweiterung die Anzahl der behandlungsbedürftigen Obdachlosen aus Polen, Rumänien und Bulgarien. "Inzwischen stammt über die Hälfte aus diesen Ländern", so Gleißner.

Laut Gesetz sei es nicht möglich, die Behandlung in solchen Fällen zu bezuschussen, hieß es aus der Gesundheitsverwaltung. Deshalb sei es keine politische, sondern eine rein rechtliche Entscheidung gewesen, die Mittel zu streichen. Deutsche Obdachlose sollten sich künftig an die Einrichtungen der Mut Gesellschaft für Gesundheit mbH wenden, die am S-Bahnhof Lichtenberg und am Ostbahnhof ärztliche und zahnärztliche Behandlung anbieten. Die Caritas will in ihrer Ambulanz künftig weiter osteuropäische Obdachlose versorgen und wirbt dafür um Spenden.

Eine generelle Lösung zur Behandlung von Osteuropäern ohne Krankenversicherung kann laut Senat nur auf Bundesebene durch Fürsorgeabkommen mit den betreffenden Ländern gefunden werden.

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7 Kommentare

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  • S
    steffi

    Hallo Oliver,

    versuche doch mal, Dich über die Situation aus erster Hand zu informieren und nicht irgend welche Sekundärquellen nachzuplappern. Die Mittel für die Caritasdienste werden seit Jahren zusammengestrichen. Und die Mitarbeiter wollen richtigerweise auch ordentlich bezahlt werden. Bei alledem macht die Caritas keinerlei "Gewinn". Wo also ist das Problem?

  • O
    Oliver

    Tja, wo christlich draufsteht ist eben doch meist nur staatlich drin. Mal schauen, ob die Caritas das Projekt auch langsfristig "aus der eigenen Tasche" (letztlich auch staatlich finanziert) bezahlt.

     

    Letztlich greift die Caritas doch eh mehrfach Geld ab.

     

    Kirchensteuer plus diverse extra Zuwendungen, dann noch nach Spenden fragen, und die Obdachlosenarbeit hatte also der Senat bezahlt. Wieso das dann unter "christlich" läuft?

     

    Das ist doch verdeckter Christentums-Lobbyismus.

     

    Mehr dazu kann man in den Büchern von Carsten Frerk nachlesen...

     

    z.B. "Violettbuch Kirchenfinanzen" oder "Caritas und Diakonie".

     

    Klappentext des letzt genannten Werks:

     

    "Der Deutsche Caritasverband und das Diakonische Werk

    sind in den vergangenen Jahrzenten zum weltweit größten

    privaten Arbeitgeberverbund aufgestiegen. Im Bereich

    der christlichen Wohlfahrtspflege werden bei etwa 1,5

    Millionen Beschäftigten jährlich rund 45 Milliarden

    Euro umgesetzt. Obwohl die Einrichtung sich

    weitestgehend aus öffentlichen Mitteln finanzieren,

    wird das karitative Engagement in der öffentlichen

    Wahrnehmung den Kirchen "gutgeschrieben"."

     

    Und dann noch Lohndumping betreiben...

  • A
    abc123

    Na ja, irgendwie muss ja auch da Loch gestopft werden, das entstanden ist, als das Land Berlin die Schulden der Bankgesellschaft Berlin-Brandenburg übernommen hat.

    100 000 € reichen da zwar nicht ganz, aber es gibt bestimmt noch andere Sachen im Umwelt- und Sozialbereich, an denen gespart werden kann. Und ich wette, das werden keine Messehallen, Kunstausstellungen, Dienstwagen usw. sein.

    Die Große Koalition in den 90 ern war nicht gut für Berlin, und ich fürchte, diese wird es auch nicht sein.

  • J
    jasso

    100.000 Euro pro Jahr. Ist das nun ein Witz ? Aber vielleicht fangen sich die Herren Politiker lieber Tuberkulose in der Strassenbahn ein, als dass sie sich um das Problem kümmern.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Wo bleibt die klare christliche,soziale Handschrift

    Das Land hat einen neuen Senat,bestehend aus SPD und CDU.Die CDU nimmt für sich in Anspruch christlich zu sein,aber so fragt man sich,wo bleibt die christliche Handschrift im Bezug auf die Obdachlosen-Ambulanz.Die selbe Frage wirft sich bei der SPD auf,die für sich in Anspruch nimmt,sozial zu sein?

    Bei beiden Parteien ist das eine beziehungsweise das andere nicht erkennbar.

  • H
    haberkorn

    die begründung des senats für die einstellung der leistung ist schlicht quatsch. als eine freiwillige soziale leistung kann der senat jederzeit jede soziale leistung anbieten. er will einfach nicht und verschließt sich damit den logischen begleiterscheinungen einer europäischen armutswanderung.

  • E
    eva

    Klar, bei all den neuen StaatssekretärInnen, SenatorInnen und neuen und neu in Rente geschickten VerwaltungsleiterInnen der Berliner Landesregierung - alles Personalien, die wir dringend benötigt haben - kann sich Berlin ja nicht mehr leisten, für seine ärmsten Bewohner auch nur medizinische Versorgung zu finanzieren.

    Wo kämen wir denn hin, wenn dafür Wowis Dienstphaeton oder die Ruhestandsgehälter der Ex-Senatsbediensteten dran glauben müßten? Man muss eben Prioritäten setzten - und die neue Berliner Regierung ist sich selbst die nächste!