Mitschnitt von Italiens Premier im Netz: Im Bett von Putin mit Berlusconi
Tonbänder belasten Italiens Regierungschef Berlusconi. Sie zeigen, was er tat, als politisch Interessierte die Wahl von US-Präsident Obama verfolgten: Er traf sich mit einer Prostituierten.
Eine Tonbandaufnahme belastet den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. "Ich geh jetzt auch duschen, und du wartest im großen Bett auf mich, wenn du vorher fertig bist." - "In dem Bett von Putin?" - "Ja, in Putins Bett." - "Ach wie schön, das mit den Vorhängen …"
Die zur Verlagsgruppe der Tageszeitung La Reppublica gehörende Wochenzeitschrift LEspresso hatte den Mitschnitt des italienischen Callgirls Patrizia D'Addario online gestellt. Gut genug ist die Tonaufnahme, um Silvio Berlusconis Stimme zu identifizieren, um Italiens Premierminister dabei zuzuhören, wie er das Callgirl in "Putins Bett" dirigiert.
Es war der 4. November 2008, gebannt schaute die ganze Welt auf die USA - an jenem Tag wurde Obama gewählt. Bloß Italiens Ministerpräsident Berlusconi hielt es wohl in der Nacht nicht vor dem Fernseher.
Aber nicht bloß diese Gespräche hat die D'Addario mitgeschnitten. Ihr Tonband lief auch, als sie am gleichen Morgen Gianpaolo Tarantini anrief, jenen jungen Mann aus Bari, der sie Berlusconi zugeführt hatte. Die beiden sprechen recht offen miteinander. "Barbara (ein zweites Callgirl, die Red.) hat mich gefragt, hast du denn den Umschlag mit den 5.000 Euro bekommen?' Ich hab Nein gesagt, gar nichts habe ich bekommen." Dann kommt die D'Addario noch mal auf Berlusconi zurück: "Er sagte, er hat eine Freundin, und er möchte mich von seiner Freundin lecken lassen." Tarantini lacht vergnügt in den Hörer - und in D'Addarios Aufnahmegerät.
Seit gut einem Monat hatte das Callgirl der Staatsanwaltschaft Bari ebenso wie den Medien vom recht freizügigen Treiben am Hofe Silvios berichtet. Berlusconi hatte seinerseits behauptet, er kenne die Dame überhaupt nicht.
Nun sind die Bänder online - und sie bestätigen Punkt für Punkt D'Addarios Aussagen. Erneut richten sich damit in Italien die Scheinwerfer auf Berlusconis Partys in Sardinien genauso wie in Rom; auf die Frage, zu welchen Konditionen ganze Bataillone junger Mädchen daran teilnahmen, auf die Frage schließlich, ob in "Putins Bett" auch politische Karrieren auf den Weg kamen. Das stadtbekannte Callgirl Patrizia D'Addario fand sich wenige Monate nach ihrem Rendezvous mit Silvio als Kommunalkandidatin in ihrer Heimatstadt Bari aufgestellt.
"Material ohne jeden Wert, völlig unglaubwürdig", befindet jedoch Berlusconis Rechtsanwalt - und Parlamentsabgeordneter - Niccolò Ghedini selbst angesichts der Mitschnitte. Auch Politiker aus dem Berlusconi-Lager lassen sich nicht irritieren. So beklagte die Staatssekretärin Margherita Boniver, da werde "bloß im Müll gewühlt", und der Staatsminister Paolo Romani beschwerte sich über "Brunnenvergifter".
Die Koalition hält an ihrer Verteidigungslinie fest, den Skandal einfach auszusitzen. Das Ansinnen der Opposition, über die pikanteren Seiten von Berlusconis Amtsführung in dieser Woche eine Debatte zu führen, schmetterten die Regierungsfraktion ab; die Aussprache wird frühestens im Herbst stattfinden. Laut einer Umfrage vertrauen nur 49 Prozent der Bürger Berlusconi, im Mai waren es 53 Prozent gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken