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Mitgliederversammlung bei Hertha BSCPreetz kuschelt in der Schlangengrube

Bei der Mitgliederversammlung von Hertha BSC blieb die Fanrevolte aus. Präsident Gegenbauer und Manager Preetz dürfen nun in der Zweiten Bundesliga weiterwursteln.

Ein schönes Bild: Fans von Hertha BSC bei der Mitgliederversammlung. Bild: dpa

BERLIN taz | Vom Neuanfang sprachen sie auf der Mitgliederversammlung bei Hertha BSC alle – bis weit nach Mitternacht. Die Opposition im Verein verband damit die Vorstellung, Michael Preetz müsse nach zwei Abstiegen in drei Jahren als Geschäftsführer endlich entlassen werden.

Präsident Werner Gegenbauer dagegen wollte dies nicht mitmachen und garantierte Preetz im Falle seiner Wiederwahl eine Weiterbeschäftigung. Dieser selbst ließ während seiner Rede ein überdimensional großes Hertha-Trikot enthüllen, auf dem – wie die Fans es schon lange begehren – die Hertha-Fahne, das Vereinswappen, auf Brusthöhe prangte. „Fahne pur, Fußball pur“, rief Preetz. „Das ist ein klares Symbol für die neue Hertha.“

Eine populistische Inszenierung eines Neubeginns, die ebenso wie die Vorstellung des neuen Trainers Jos Luhukay, der als Maximierer des Minimalen gilt, einen Beitrag dazu leistete, dass Preetz trotz des großen Unmuts, der in Form von gellenden Pfiffen und Buhrufen auf ihn niedergeprasselt war, nun seine dritte Chance erhält. Sein Spezi Gegenbauer wurde mit 73,2 Prozent der Stimmen erneut zum Präsidenten gewählt.

Es mag sein, dass man in Berlin die bittere Pille Preetz schluckte, weil der hochverschuldete Verein ansonsten auf das Vitamin B des in der Wirtschaft so gut vernetzten Gegenbauer, der obendrein auch noch so spendabel ist, hätte verzichten müssen. Andererseits klagen gerade die Klubbosse immer wieder darüber, es gäbe landesweit kein solch unruhiges und irrationales Umfeld wie in der Hauptstadt – allein schon wegen der vielen Tageszeitungen und deren sensationslüsternen Reportern.

Ballern ohne nennenswerte Treffer

Nach diversen Fehlentscheidungen von Preetz war des Öfteren recht reißerisch von der letzten Patrone die Rede, die der Manager jetzt noch habe. Aber die Magazine des 44-Jährigen wollen sich nicht leeren. Er ballerte weiter ohne nennenswerte Treffer wild um sich. Und auch die von Gegenbauer angeprangerte Anti-Preetz-Kampagne, die die Opposition angeblich zum Schaden des Vereins geführt habe, bewirkte letztlich nichts.

Entweder verließ die Aufsässigen im entscheidenden Moment der Mut („Ich bin falsch zitiert worden“), oder sie konnten die Angriffe aus dem Plenum nur unzureichend parieren. Zum einen fehlte es ihnen an Strukturen und Konzepten, zum anderen waren die Fragesteller von Gegenbauer und Co. offenbar gut instruiert worden. Ein Oppositionskandidat für das Präsidium wurde etwa gefragt, warum er eigentlich bei der Commerzbank beurlaubt worden sei.

Aus Sicht von Preetz kann man es sich so in der Berliner Schlangengrube recht gemütlich machen. Nicht einmal an den anspruchslosen Bundesligastandorten dieser Republik hat man bislang so treu an Personen festgehalten, deren Wirken fast ausschließlich mit dem Misserfolg verknüpft ist.

Kein weiteres Gerichtsverfahren

Der erneute Abstieg, das war auch ein Ergebnis der Mitgliederversammlung, soll nun nach zwei Gerichtsgängen anlässlich des Platzsturms kurz vor dem Spielende des Relegationsspiels in Düsseldorf nicht mehr angefochten werden. Mit deutlicher Mehrheit stimmten die Mitglieder bei der Erhebung eines Meinungsbilds gegen die Anrufung der nächsten Instanz.

Der eindringliche Appell eines Mitglieds an das Präsidium („Ersparen Sie uns diese Peinlichkeit“) schien auch auf den nach Mitternacht nur noch spärlich besetzten Plätzen Eindruck hinterlassen zu haben. Sein Plädoyer begründete der Anhänger damit, dass dieses Hertha-Team sicherlich erneut scheitern würde. Dies war die letzte verbale Ohrfeige auf dieser Mitgliederversammlung, die der alte und neue Geschäftsführer Preetz gleichmütig hinnahm.

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