■ Mit unlauterer Werbung auf du und du: Zuviel Gefühl
Freiburg (taz) – Der süddeutsche Optikfilialist Binder darf in seinen Werbeanzeigen nicht mehr auf sein Engagement für den Artenschutz hinweisen – andernfalls drohen 500.000 Mark Ordnungsgeld. Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart wurde jetzt rechtkräftig, weil der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe die Revision der Binder AG „mangels Aussicht auf Erfolg“ gar nicht erst behandeln will. Binder war von Optikerkollegen verklagt worden, weil er „gefühlsbetonte“ und damit unlautere Werbung betreibe.
Ist Werbung aber nicht immer „gefühlsbetont“? Weil sich die Qualität der Produkte angleicht, entscheidet heute eher das Image der Marke oder des Handels über das Kaufverhalten. Im „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) ist nur „sittenwidrige“ Werbung verboten. Eine ausufernde Rechtsprechung sieht jedoch gerade die gefühlsbetonte Werbung als „unlauter“ an.
„McHappy-Tag ist Spendentag. Jeder Big Mäc nur 2 Mark!“ warb McDonald's in den 80er Jahren. Der Erlös der McHappy-Tage sollte ans Deutsche Kinderhilfswerk gehen. Der BGH machte der kommerziell- sozialen Allianz jedoch einen Strich durch die Rechnung. Hier würden die VerbraucherInnen die Hamburger nur noch deshalb kaufen, um damit Spielmobile und Kinderkrippen mitzufinanzieren, und nicht mehr deshalb, weil sie die McDonald's- Brötchen lieben. Dies sei wettbewerbswidrig.
Keine Chance auch für das Möbelhaus, das die gesamten Einnahmen eines Tages an seine MitarbeiterInnen verschenken wollte – wettbewerbsschädigend, meinte der BGH: Wie soll jemand ohne Schrankwand das Möbelhaus verlassen, wenn er weiß, daß dann der nette Herr Verkäufer auf seinen Zusatzverdienst verzichten muß?
Aufs Gefühl drücken durfte dagegen das Kinderhilfswerk Unicef beim Vertrieb von Weihnachtskarten. „Ihr Gruß hilft einem Kinde“, warb Unicef zum Leidwesen kommerzieller KartenherstellerInnen, die bis zu 20 Prozent Umsatzeinbußen hinnehmen mußten. Doch hier hatte der BGH kein Einsehen mit der geplagten Konkurrenz. Nur wer aus Eigennutz die VerbraucherInnen zu Tränen rührt, handelt sittenwidrig, so das Gericht, nicht aber Unicef.
Warum aber ein Textilkonzern ölverschmutzte Enten, abgestempelte Aidskranke und schuftende Kinder plakatieren muß, leuchtete dem Bundesgerichtshof überhaupt nicht ein. Das bloße Anprangern der Dinge ändere nichts, außer daß dem Publikum der Name Benneton – positiv oder negativ besetzt – im Gedächtnis bleibe. Mit ölverschmutzten Enten, so der BGH, dürften nur wirklich entenfreundliche Unternehmen werben, etwa wenn sie ölfressende Bakterien herstellten. Christian Rath
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