■ Mit russischer Energiepolitik auf du und du: Teure Sturheit
Berlin (taz) – Um die Atomstrategen zu diskreditieren, reicht die reine Ökonomie. So auch in einer jetzt in Moskau veröffentlichten Studie, in der das Öko-Institut im Auftrag von Greenpeace den Nordwesten Rußlands mit dem Oberzentrum St. Petersburg unter die Lupe nimmt.
Die Region verfügt über ein eigenes Stromverbundsystem und acht Reaktorblöcke mit einer Gesamtkapazität von 5.760 Megawatt, die allesamt zwischen 2003 und 2014 ihre Altersgrenze erreichen. Die Namen der Standorte – auf der Halbinsel Kola (vier Druckwasserreaktoren vom Greifswald-Typ) und Sosnowi Bor (vier Blöcke der Tschernobyl-Baureihe) – sind auch im Westen bekannt. Beide hatten zum Teil schwerwiegende Störfälle. Derzeit entsteht an beiden Standorten mit westlicher Hilfe (Siemens) je ein Ersatzblock der neuen Linie WWER 640.
Das Öko-Institut untersucht, wie der vorsichtig abgeschätzte künftige Strombedarf der Region ökonomisch vernünftig und ökologisch verträglich bereitgestellt werden kann. Sieht man einmal ab von einem im Szenario auf 20.00 bis 3.000 Megawatt geschätzten Windenergiepotential, haftet den Vorschlägen nichts Exotisches an: Die Modernisierung bestehender fossiler Kraftwerke auf Kohle- und Ölbasis bedeutet eine Leistungssteigerung um 1.000 Megawatt, der Ersatz aktueller Gaskraftwerke durch moderne weitere 570 Megawatt. Der Ausbau der Kraft-Wärme- Kopplung in den Ballungszentren Nordwestrußlands hat ein Potential von 4.000 Megawatt bei gleichzeitiger Einsparung erheblicher Brennstoffmengen. Dazu kommen Energieeinsparungen an den Kraftwerken selbst und die Optimierung bestehender Wasserkraftwerke.
Alles viel zu teuer? Keineswegs, so die Öko-Wissenschaftler. Allein der geplante Bau von vier WWER-640-Blöcken auf der Halbinsel Kola verschlingt nach heutigen Schätzungen zwischen 7,5 und 10 Milliarden Mark, 3,5 Milliarden mehr als die sanfte Modernisierung.
Der Überschuß könnte also zusätzlich zur Effizienzsteigerung beim Verbraucher eingesetzt werden. Theoretisch. Denn daß der russische Atomkomplex, der Tschernobyl und den Systemwechsel überlebte, freiwillig zurückweicht, scheint ausgeschlossen. Nicht nur den Nordwesten Rußlands kommt das teuer zu stehen. Gerd Rosenkranz
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