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■ Mit der Vollmotorisierung auf du und duBlick mit Knick

Berlin (taz) – Eigentlich hat ja jeder ein Auto – meinen zumindest die Statistiker vom „Globus Kartendienst“. Sie liefern den Zeitungsredaktionen jedes Jahr im Herbst eine Grafik zum Lebensstandard der deutschen Bevölkerung. In diesem „Blick unter deutsche Dächer“ stellen sie regelmäßig fest, daß unser Land angeblich so gut wie vollmotorisiert ist: 96 von 100 Haushalten in West- und Ostdeutschland haben demnach einen eigenen Wagen. Unter die Grafik setzt der Globus Kartendienst die Erklärung: „Ein Pkw (westlicher Bauart) ist inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden.“

Doch dieser Blick hat einen Knick in der Optik. Schon eine ganz simple Zahl zeigt, daß wir von der angeblichen Vollmotorisierung noch weit entfernt sind. Die 35 Millionen Haushalte der Bundesrepublik besitzen 25 Millionen Pkw. Ein Griff zum Taschenrechner zeigt, daß also höchstens 71 Prozent einen Pkw haben können – wobei Zweit- und Drittwagen noch nicht eingerechnet sind.

Nun beruft sich der Kartendienst bei seiner Falschmeldung auf das Statistische Bundesamt. Doch dort sieht man solche Rechnungen äußerst kritisch: „Das sind nur Zahlen für eine bestimmte Gruppe – nämlich für Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern“, sagt Monika Illgen vom Statistischen Bundesamt. Außerdem gelte diese Statistik nur für ein „mittleres Einkommen“ zwischen 3.600 und 5.400 Mark brutto (West).

In anderen Haushalten ist von einer „Vollmotorisierung“ dagegen nichts zu spüren. Nach Umfragen des Statistischen Bundesamts besitzt fast die Hälfte der Rentnerhaushalte im Westen keinen eigenen Wagen. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Zentrum der deutschen Großstädte. So hat Infratest in München festgestellt, daß in der Münchner City ebenfalls fast jeder zweite Haushalt auf einen Wagen verzichtet.

Interessant ist außerdem, wie weit Zweit- und Drittwagen mittlerweile verbreitet sind. Die Infratest-Studie für München zeigt, daß dort bereits jeder zehnte Haushalt zwei Autos vor der Türe stehen hat. Und ein Prozent der Haushalte braucht sogar drei Wagen, um die Familie mobil zu halten. Insgesamt ist laut Statistischem Bundesamt jeder fünfte Pkw auf unseren Straßen ein Zweit- oder Drittwagen. Felix Berth

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