Mit der Verwaltung auf Du und Du: „Zögerlich umgesetzt“
■ Europäischer Kongreß zur Reform der Verwaltung– viel graues Papier
Über 300 Eintragungen lang ist die Teilnehmerliste des „3. Europäischen Verwaltungskongresses“, der gestern in Bremen zu Ende ging. Das sei der größte seiner Art, fand der Kanzler der Hochschule Bremen, Jürgen-Peter Henckel, stolz. Zusammen mit der Hochschule für Öffentliche Verwaltung hatte er die Tagung veranstaltet, „Praktische Beispiele der Verwaltungsreform in Europa“lautete der ganz konkrete Untertitel.
Über praktische Beispiele war dennoch auf der abschließenden Pressekonferenz herzlich wenig zu erfahren. Modern, dezentral, flexibel, bürgernah und effektiv soll die öffentliche Verwaltung werden, sagen die Fachleute für Verwaltungsreform seit Jahren, und inzwischen existiert ein unübersehbarer Berg verquastet-bürokratischer Fachliteratur.
Schon die Struktur der Veranstalter des Kongresses verdeutlicht aber das Problem: Seit 1994 ist das Ziel formuliert, daß die sog. Hochschule für Öffentliche Verwaltung, ein mit ca. 15 Dozenten ausgestattetes Ausbildungsinstitut mit irreführendem Namen, in die richtige Hochschule Bremen integriert werden soll. Die Absonderung der Ausbildungsgänge für Führungskräfte im Öffentlichen Dienst vom wirklichen Leben ist nicht nur unnötig teuer, sie ist auch kontraproduktiv, wie die Notwendigkeit der Verwaltungsreform beweist: Die gesondert ausgebildeten Verwaltungs-Fachkräfte müssen im nachhinein durch teure Unternehmensberater darauf aufmerksam gemacht werden, wie die Wirtschaft arbeitet – effektiver und kundenfreundlicher.
Die Frage, warum die Hochschule für Öffentliche Verwaltung nicht längst aufgelöst und in die Hochschule Bremen integriert ist, berührt also den Kern der Verwaltungsreform. Und es ist typisch für die Verwaltungsreform, daß es auf diese Frage keine Antwort gibt. „Die Politik“sei schuld, sagen die Verwaltungsfachleute, sie verhindere das. Dieselben Politiker also, die unendlich gern über Verwaltungsreform reden. Die Verwaltungsreform soll Kompetenzen dezentralisieren. Aber wehe, die Hochschule für Öffentliche Verwaltung will – ganz dezentral – in der richtigen Hochschule Bremen aufgehen. Ohne höheren Segen geht da nichts.
Zurück zu den „praktischen Beispielen“des großen Europäischen Kongresses. Der Blick in andere Städte („benchmarking“) macht schlagartig deutlich, daß Bremen weit zurück ist in Sachen Verwaltungsreform. Arbeitsgruppen gibt es hierzulande seit Jahren, versichert der Verwaltungsreform-Experte Prof. Busse, „aber die Umsetzung ist sehr zögerlich“. Vor drei Jahren hat er selbst zum Beispiel einen Vorschlag zur Einrichtung von „Bürgerbüros“gemacht, in denen Meldewesen, Zulassungsstelle und andere Dienste kundenfreundlich vereinigt werden. „Bei uns können Sie in einer halben Stunden umziehen mit KFZ und Hund“, berichtete Stadtverwaltungsdirektor Horst Staib aus Pforzheim dem Kongreß. In Bremen landete die Idee 1994 im Altpapier.
Oder die Bremer Bereitschaftspolizei. „Die bekommen im Unterschied zu mir das Joggen bezahlt“, spottete einer, der es genau weiß, aber nicht namentlich genannt werden wollte. Und blockieren, wie jeder weiß, ein riesiges Grundstück in Top-Lage am Werdersee mit ihren Sport- und Parkplätzen. Aber das zu sagen hatte McKinsey keinen Auftrag.
Zurück zu dem 3. Europäischen Kongreß. Entscheidend für den Erfolg einer Reform der Verwaltung ist es, daß die Mitarbeiterinnen frühzeitig einbezogen werden und mitziehen, wurde in den Referaten mehrfach betont. Nur glückliche Angestellte arbeiten effizient.
In Bremen erfuhren die MitarbeiterInnen der Verwaltung in den letzten Wochen aus der Zeitung, zu welchen Ergebnissen die McKinsey-Unternehmensberater gekommen waren. K.W.
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