■ Mit den Multis auf du und du: Fette Vielfraße
Berlin (taz) – Multinationale Konzerne haben sich in den letzten Jahrzehnten „revolutionär verändert“. Während die Konzernzentralen früher ihre mehr oder weniger entlegenen Tochterunternehmen mit Ressourcen und Spezialkenntnissen versorgten, gibt es inzwischen eine intensive Vernetzung der Subunternehmen. Das hat die wirtschaftliche Bedeutung der Multis noch einmal extrem erhöht: Inzwischen wickeln die 38.000 Mutterfirmen mit ihren 250.000 Töchtern etwa ein Drittel des gesamten Welthandels untereinander ab. Ihr Weltumsatz betrug bereits 1992 über 5.200 Milliarden Dollar (ca. 7,7 Billionen Mark) und war damit größer als der gesamte Welthandel. Das geht aus einer gestern vorgelegten Studie des Münchner ifo-Instituts hervor.
Gemessen am Auslandskapital führt die britisch-niederländische Royal Dutch Shell den Reigen mit fast 70 Milliarden Dollar an, gefolgt von Exxon mit 47 Milliarden Dollar. Außer diesen Ölkonzernen haben vor allem Automobil- und Elektronikfirmen viele Anlagen im Ausland. „Transnationale Unternehmen besitzen 80 Prozent der privaten weltweiten technischen Kapazität und sind direkt oder indirekt für etwa den gleichen Anteil des Welthandels verantwortlich.“ Die fünf wichtigsten Heimatländer sind USA, Japan, Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Drei Viertel der größten 100 transnationalen Unternehmen kommen hierher. Während sich bei den US-Amerikanern noch immer ihr Vorsprung bei den Direktinvestitionen nach dem Zweiten Weltkrieg auswirkt, war bei den Japanern der zu kleine Binnenmarkt die Antriebsfeder. Nachdem Japan zunächst durch massive Exporte seine Wirtschaft stark machte, verlagerten die Betriebe ihre Produktion immer stärker ins Ausland und erschlossen so neue Märkte.
Die ifo-Forscher schlagen vor, die Verwobenheit eines Konzerns in der Weltwirtschaft nicht nur am Kapitaleinsatz, sondern an einem „Transnationalitätsindex“ festzumachen. Außer Anlagevermögen sollen auch Beschäftigung und Umsatz jenseits der Grenzen in diesen Wert einfließen. Bei dieser Betrachtungsweise rutscht Shell auf Platz 22, während die Liste jetzt mit dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé beginnt. Vor allem die Chemie-, Lebensmittel- und Elektronikindustrie sind international extrem verbandelt. Auffällig ist, daß bei dieser Berechnungsgrundlage die wichtigsten Multis aus kleineren Ländern stammen: Nestlé, die Bausstoffirma Holderbank und der Elektrotechnikkonzern Asea Brown Boveri aus der Schweiz, Elektrolux aus Schweden und der Chemiemulti Solvay aus Belgien. aje
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen