■ Mit dem Abfallrecht auf du und du: Kreislauf mit Lücken
Berlin (taz) – In einer Nacht hat sich das Müllaufkommen in Deutschland verdoppelt. Seit heute früh gilt das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrW) – und das definiert alles, was im Herstellungsprozeß anfällt und nicht Produkt ist, als Abfall. Auch die alte Glasflasche im Container heißt künftig nicht mehr Sekundärrohstoff. 700 Millionen Tonnen Müll im Jahr fallen künftig an, so schätzt der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse). Doch längst nicht alles soll deponiert werden: Künftig gibt es Abfall zur Verwertung und Abfall zur Beseitigung.
Die Ausweitung des Abfallbegriffs „ist grundsätzlich zu begrüßen“, schreiben Joachim Spangenberg vom Wuppertal- Institut für Klima, Umwelt, Energie und die Umweltrechtsexpertin Roda Verheyen in einem Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stiftung. Auch die formulierte Absicht des Gesetzes, natürliche Ressourcen zu schonen und den Herstellern die Verantwortung für ihre Produkte zu übertragen, findet ihre Zustimmung. Doch solange es keine konkreten Rechtsverordnungen gibt, die zu abfallarmer, recyclingfreundlicher Produktion zwingen, werde das Problem weiter von der falschen Seite, nämlich vom Ende her angegangen. Die Verpackungsverordnung ist ein Beweis dafür, daß die Rückkopplung auf die Hersteller gering bleibt, wenn sie ihre Entsorgungspflichten auf andere übertragen können: Die Verbraucher zahlen die Entsorgungskosten, die Müllindustrie verdient prächtig und die Hersteller sehen den von ihnen verursachten Müllberg nie wieder. Der Kreislauf ist nicht geschlossen.
Daß das auch bei anderen Materialien so bleibt, dafür haben Industrielobbyisten gesorgt: Die Pflicht, verschiedene Produktionsmöglichkeiten zu dokumentieren und Möglichkeiten zur Verlängerung der Lebensdauer von Waren zu erforschen, wurde aus dem ursprünglichen Entwurf gestrichen. Statt dessen gelang es den Vertretern der großen Entsorgungskonzerne, Nachschub für ihre Müllöfen zu sichern: Das Gesetz bewertet die Verbrennung von Abfällen und die stoffliche Aufbereitung gleichberechtigt als „Verwertung“.
Die Kommunen und Kreise fürchten neue Kosten durch das KrW. Galt nach altem Recht die private Entsorgung von Abfällen als Ausnahme, so soll sie künftig die Regel werden. Großkunden werden sich den billigsten Abnehmer suchen – auch wenn der den Müll dank geringer Transportkosten durch die halbe Republik oder über die Grenzen schafft. Die Konzentration in der Branche wird weiter zunehmen. Stadtväter und -mütter befürchten dagegen, daß vielerorts die Müllgebühren für die privaten Haushalte weiter steigen werden. Annette Jensen
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