Mit de Maizière am Frühstückstisch: Der Terror ist da, das Müsli ist alle
Die Behörden gehen von verschiedenen Bedrohungsszenarien für Deutschland aus. Das ist Panikmache. Und aus statistischen Gründen ziemlich unangebracht.
Niemand hat mich gewarnt, als ich vor Wochen mein Zimmer buchte, doch bei der Ankunft in Hamburg stöhnt der Taxifahrer: "In Ihrem Hotel tagen die Innenminister!" Unsere Fahrt verläuft chaotisch. Die halbe Hamburger Innenstadt ist gesperrt. Schranken, Blaulicht, Umleitungen, Stau, Kontrolle. Mit Verspätung erreichen wir das Hotel. Entlang der Außenalster vor Hauseingängen und Seitenstraßen patrouillieren Polizisten und Sicherheitsbeamte. Was für ein Aufgebot!
61, ist Wissenschaftsjournalist und Moderator.
An der Hotelrezeption entschuldigt man sich für die Unannehmlichkeiten. Mein Zimmer ist im siebten Stock. Überall, in der Lobby, in den Fluren, im Aufzug stehen Herren im grauen Anzug mit breiten Schultern und wachsamen Augen. Sie tragen ein grünes Badge. Darauf steht "Personenschutz". Sie sind freundlich, wir witzeln. "Ja, Herr Yogeshwar, hier sind Sie sicher." Mein Hamburger Aufenthalt ist eine Verirrung in eine mir fremde Welt. Der Blick aus meinem Zimmer fällt auf die Außenalster. Novemberwetter in Hamburg, kalt, feucht und grau. Die Silhouette der Stadt hat sich in einen feinen Nebelschleier gekleidet.
In der unsicheren Welt
Im Hotelprospekt heißt es: "Als Gast in unserem Hotel in Hamburg entdecken Sie neue Perspektiven auf unsere schöne Stadt." Von oben betrachte ich die Emsigkeit des massiven Sicherheitsaufgebots: martialisch gekleidete Polizisten in dunkelblauen Overalls, Helme, Funkgeräte, zivile Beamte mit dem obligaten Knopf im Ohr, Pferdestaffeln und Blaulicht auf strotzenden Luxuslimousinen. Warum richtet man eine solche Tagung inmitten einer Stadt aus?
Die Minister könnten doch auf einem Schiff tagen, da wäre die Sicherheit doch einfacher zu bewerkstelligen. Doch wer weiß - vielleicht ist der eine oder andere von ihnen seekrank? Ich muss ins Fernsehstudio. Taxi? Nein - in der Nähe des Hotels sind keine Taxen erlaubt. Die Sicherheitsbeamten sind ausgesprochen höflich und entschuldigen sich. Ich verrate ihnen meine Idee von der ausgelagerten Tagung. Sie nicken. Ja, auch für sie erscheint der ganze Aufwand hier übertrieben. Wir verstehen uns. Ich gehe also zu Fuß, um irgendwo dort draußen in der "unsicheren" Welt ein Taxi zu finden. Der Regen hat zugenommen.
In der Fernsehsendung reden wir über mein neues Buch "Ach so!": Antworten auf Fragen des Alltags. Warum fällt der Apfel vom Baum? Warum haben Frauen kalte Füße? Als ich heimkehre, zu Fuß, weil die Taxen ja nicht vorfahren dürfen, fragt mich der Polizist: "Wohin wollen Sie?" - "In mein Hotel - tut mir leid, dass auch die Innenminister dort wohnen." Ich muss ihm meine Zimmerkarte zeigen. Dann erkennt mich der junge Beamte: "Sind Sie nicht der aus dem Fernsehen?"
Wir reden über die Absurdität von Straßensperren und über den ganzen Aufwand. "Politiker sind doch Staatsdiener", meine ich, "sie sollten uns Bürgern dienen, doch hier scheint sich das wohl umzukehren. Eine Stadt mit Bürgern, Taxifahrern und Politikern dient den Ministern." Er lacht, und sein offener Blick passt gar nicht zu seiner gepanzerten Uniform. Die ganze Nacht wird er draußen ausharren müssen. In der Kälte und im Novemberregen. "Sehen Sie", sagt er, "da habe ich das Abitur absolviert, und nun lande ich hier!"
Wir reden offen, wie zwei ganz normale Bürger. Die Funktionen und Dienstgrade haben sich aufgelöst. Er mag meine Sendung und interessiert sich für wissenschaftliche Themen. Und auch in Sachen Terrorhysterie liegen unsere Ansichten nahe beieinander. Wir wünschen uns eine gute Nacht, und ich stelle mir vor, wie schwer es wohl sein muss, wenn man bei dieser Einstellung die ganze Nacht gegen den angeblichen Terror anfrieren muss. In den Spätnachrichten ist die Rede von einem verdächtigen Gepäckstück in Namibia.
Eine Bombe im Flugzeug Richtung Deutschland? Zugegeben, ich bin nur Wissenschaftsjournalist, befasse mich mit physikalischen Phänomenen, doch offen gesagt glaube ich nicht an diese Nachricht. Das passt doch alles zu gut. Bei mir im Hotel die Innenminister, und ausgerechnet jetzt wird verkündet, dass Deutschland demnächst zum Ziel eines Terroranschlags wird. Das riecht nach Inszenierung.
Ich kann nicht einschlafen, denn mir wird bewusst, dass mein Bett inmitten der Zielscheibe des angeblichen Terrors steht. Wenn schon Attentat, dann doch hier! So viel Polizei ist doch das Warnsignal für drohende Gefahr, das beruhigt nicht - im Gegenteil. Auf der nächtlichen Außenalster patrouilliert ein Boot, und entlang der leeren Straße stehen frierende Polizisten.
Ich rufe meine Frau an. Den Kindern geht es gut. Mein Sohn macht dieses Jahr Abitur und war bei der Berufsberatung. "Geh nicht zur Polizei!", denke ich, sonst musst du sinnlos frieren. Während des Telefonats denke ich darüber nach, dass unser Gespräch bestimmt abgehört wird. Bei dem Polizeiaufgebot wird doch bestimmt alles überprüft. Ein Gutenachtkuss ist vermutlich nicht sicherheitsrelevant, aber verdammt wichtig. Nach dem Auflegen fühle ich mich einsam. Ich schalte den Fernseher aus und blicke aus dem Fenster.
Eher stirbt man im Auto
In der Wissenschaft muss man Phänomene verifizieren, und solange dieses nicht geschieht, fehlt der endgültige Beweis. Jeder von uns kann zum Beispiel das Gesetz der Schwerkraft selbst überprüfen, doch in der Welt des Terrors herrschen anscheinend andere Regeln: Wenn Sicherheitsbehörden angebliche Bomben finden oder von einem erhöhten Risiko sprechen und dieselben Sicherheitsbehörden von uns Bürgern mehr Geld verlangen, dann ist das absurd.
Das grenzt an einfache Selbstbedienung. Niemand von uns Bürgern kann kontrollieren, ob das alles stimmt. Und überhaupt mag ich diese Panikmache nicht. Als Naturwissenschaftler habe ich gelernt, Risiken quantitativ zu vergleichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich von einem Auto oder einem Schäferhund getötet werde, ist weit größer, als Opfer eines Terroranschlags in Deutschland zu werden. Nein, ich habe keine Angst, und selbst dann, wenn alle Polizisten Hamburgs um mein Bett stehen, behalte ich meinen klaren Kopf. Das, was hier passiert, ist eine Inszenierung. Ich schlafe ein.
Am nächsten Tag lese ich in einem Kinosaal aus meinem Buch. Ich erzähle, warum Äpfel vom Baum fallen und Vorurteile uns beeinflussen. Und davon, dass es nicht hilft, eine Münze am Automaten zu reiben, bevor man sie einwirft. Das Hamburger Publikum ist offen und sehr herzlich. Wir lachen viel an diesem Abend. Dann muss ich wieder zurück in mein gut bewachtes Hotel an der Außenalster.
Am nächsten Morgen hat es der Terrorkoffer sogar auf die Titelseiten der Tageszeitungen geschafft. Ich ärgere mich über diese unkritische Haltung meiner Journalistenkollegen. Warum beteiligen sie sich an dieser Sicherheitshysterie? Warum wird nicht hart hinterfragt, statt einfach zu glauben, was uns da verkündigt wird?
Der Sicherheitsstaat
Ich frühstücke erneut inmitten von BKA-Beamten, Staatssekretären, Fahrern und Personenschützern. Der Kellner weist mir einen Tisch zu. Ausgerechnet direkt neben Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Er sitzt allein im gestreiften Hemd und liest Zeitung. Ich frage ihn, warum man solche Tagungen nicht auf dem Lande abhält. "Das ist eben Sache des gastgebenden Bundeslandes", meint er. Ich mache mich auf zum Buffet.
Inzwischen komme ich mir völlig deplatziert vor. Ich zweifle an dieser ganzen Terrormanie, lehne die diversen Formen staatlicher Überwachungen ab, halte nichts von inszenierten Tagungen, die Städte blockieren, und sitze erneut ausgerechnet inmitten der Apologeten eines Sicherheitsstaates. Am Buffet ist das Müsli und der Fruchtsalat alle. Kein Wunder, die sportlichen Personenschützer ernähren sich gesund!
Die unmittelbare Sitznähe zu unserem Innenminister ist mir unangenehm. Ich bemühe mich wegzuhören. Ich lese in der Zeitung vom Koffer. Beim Durchleuchten seien Batterien gefunden worden, die über Kabel mit einem Zünder und einer laufenden Uhr verbunden waren. Herr de Maizière liest dieselbe Zeitung, und ich frage mich, ob er das alles schon vorher wusste. Beim Verlassen des Frühstücksraums bemerke ich, wie sich der Blick der Sicherheitsbeamten verändert hat.
Die anfängliche Skepsis hat sich aufgelöst. Anscheinend weiß man, dass von mir keine Gefahr ausgeht. Doch bitte - ich gehöre nicht dazu! Bei meiner Abreise merke ich, dass ich eben ein einfacher Bürger bin. Kein Taxi. Ich gehe mit meinem Koffer erneut in die "unsichere Zone" jenseits der Absperrungen und warte zwanzig Minuten, bis ein Taxi anhält.
Der Fahrer kommt aus Afghanistan. Er erzählt mir, dass die westlichen Medien ein verzerrtes Bild seiner Heimat zeigten. "Die Briten und Amerikaner arbeiten doch mit den Taliban zusammen", echauffiert er sich. "In Afghanistan gibt es unzählige Bodenschätze und Uran, und das wollen sie sich unter den Nagel reißen. Terror und Anschläge, das ist doch alles Humbug!"
Am Flughafen sind die Sicherheitsvorkehrungen wie erwartet verschärft worden. Es gibt viele Schutzwesten und Maschinengewehre. Vor mir steht ein leerer Kinderwagen - vermutlich ein "Sicherheitsproblem". Im Flugzeug serviert man uns einen Snack. Es gibt Müsli - endlich!
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