■ Mit abgesägten Förstern auf du und du: Urwald von morgen
Zürich (taz) – Zürich ist seinem Stadtforstmeister nicht mehr grün: Geht es nach dem Willen der zuständigen Stadträtin Kathrin Martelli, soll Andreas Speich den grünen Loden an den Nagel hängen. „Schwerwiegende personelle Spannungen“ führt die Stadt für die geplante Entlassung an. Mit Speich muß ein Forstmann gehen, der mit seinen progressiven Naturschutzprojekten international Anerkennung fand. Herausragendes Projekt ist dabei der Sihlwald: 1.000 Hektar des Züricher Stadtwaldes nahm der Forstmann kurzerhand aus der Holznutzung und machte den einzigartigen Bergmischwald zu einem Urwald von morgen. Speich verstieß damit gegen ein Tabu: Wald darf nicht nur so wachsen, ohne genutzt zu werden. Den meisten Förstern ist die Idee, auf Holzeinschlag ganz zu verzichten, bestenfalls ein Hirngespinst von Öko-Freaks.
Der Fall Speich wäre nicht so bemerkenswert, wäre er der einzige Rebell im grünen Tann, der ob seiner progressiven Ideen abgestraft wurde. Im Saarland vertrieb der inzwischen selbst geschaßte Wirtschaftsminister Reinhold Kopp im Verein mit einigen höheren Forstbeamten Wilhelm Bode vom Sessel des Landesforstchefs. Bode gilt als Pionier der naturnahen Waldwirtschaft in Deutschland, führte diese kahlschlagfreie Form der Waldnutzung im Saarland als erstem Bundesland überhaupt ein. Bode streitet inzwischen vor Gericht um seinen früheren Posten, nachdem er auf das eigens geschaffene Amt eines „Landesbeauftragten für Klimaschutz und ökologische Wirtschaftspolitik“ ohne Kompetenzen abgeschoben wurde.
Neben Speich und Bode mußte im letzten Jahr noch ein dritter Forstmann erfahren, wie man mit Abweichlern von der herrschenden Lehre umspringt. Georg Meister, ehemals Leiter des Forstamtes Bad Reichenhall, versagte der Freistaat Bayern ausdrücklich Dank und Anerkennung, als der engagierte Streiter für einen gesunden Bergwald in Pension ging. Das Forstamt, immerhin 485 Jahre alt, wurde einen Tag später aufgelöst. Meister hatte sich unbeliebt gemacht, weil er immer wieder die Trophäenjagd anprangerte, die den Jägern wichtiger sei als die Regulierung der zu hohen Wildbestände.
Stefan Mörsdorf, Vorsitzender des saarländischen Naturschutzbundes (NABU), zieht Parallelen zwischen den drei Förstern: „Ihre Ideen sägten am Selbstverständnis eines Teils der durch Privilegien verwöhnten, veränderungsunwilligen Forstbürokraten, die mit der Jagdlobby vielfach unter einem Hut stecken.“ Martin von Hohnhorst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen