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Mit Wagner wider jegliche Vernunft

Ortsumgehung Finkenwerder: Hamburgs Verkehrsplaner beweifeln ihren Nutzen, nur Senator Wagner nicht / Noch in diesem Jahr fällt die Entscheidung  ■ Von Florian Marten

Da hat selbst der Westwind seine liebe Mühe: Kaum ein Nachmittag im Jahr, an dem Neßdeich und Finkenwerder Norddeich nicht CO2-Smog melden. Der Senat will noch in diesem Jahr die Entscheidung für eine Umgehungsstraße treffen, doch bei den städtischen Planern wachsen die Zweifel, ob das ganze Projekt überhaupt Sinn macht. Ein Mitarbeiter des Hamburger Verkehrssenators Eugen Wagner zur taz: „Mir wär's inzwischen am liebsten, die Straße würde überhaupt nicht gebaut.“

Auch in der Stadtentwicklungsbehörde gibt es gerunzelte Stirnen. Der Grund: Jede der untersuchten Trassen hat ihre Tücken und vor allem – keine löst das Problem. Der Dauerstau zur Rush hour im 12.056-Einwohner-Dorf Finkenwerder hat zwar von der Idylle der einstigen Fischerinsel wenig übrig gelassen. Doch, so weisen die behördlichen Planungsunterlagen aus, eine neue Trasse würde kaum Abhilfe schaffen.

Während Finkenwerders BürgerInnen feste glauben, am Stau seien der Schleichverkehr ins Alte Land und der Zubringerverkehr zum DASA-Werk schuld, weisen die Zählungen der Baubehörde das Gegenteil nach: Der sogenannte „Ziel- und Quellverkehr“, also der Verkehr von und nach Finkenwerder, macht gut 70 Prozent der Strassenbelastung aus. Und: Gingen die ursprünglichen Planungen für den Verkehrsbedarf noch von 9.000 Beschäftigten im Jahr 2000 bei DASA aus, so wären IG Metall und Betriebsrat heute schon froh, sie könnten fest mit 5.000 Arbeitsplätzen rechnen.

Die von Finkenwerders BewohnerInnen und deren Mitbürger Eugen Wagner favorisierte weiträumige Umgehung südlich der Süd-erelbe, die mehr als 100 Millionen Mark teure Südtrasse, würde somit Finkenwerder kaum Entlastung bringen. Im Gegenteil: Die Reduzierung des Durchgangsverkehrs würde voraussichtlich den Anreiz für die Halbinsulaner noch erhöhen, weiter aufs Auto umzusteigen.

Ein Verkehrsplaner zur taz: „Wenn die Menschen in Finkenwerder selbst eine Entlastung der Achse Ostfrieslandstraße - Norderdeich - Neßdeich wollten, müßten wir eine zusätzliche Trasse durch den Ort bauen. Alles andere ist nur Kosmetik.“ Eine solche Innerorts-Entlastungsstraße wird zwar auch von Ökologen und Landschaftsplanern befürwortet und wäre – zum Beispiel entlang des Landscheidewegs (“Landscheidetrasse“) – mit 10 bis 15 Millionen Mark erheblich billiger als eine Südumgehung, ist aber in Finkenwerder selbst wohl kaum politisch durchsetzbar.

Trotz der behördlichen Zweifel, so vermuten Insider, wird sich der Senat so wohl doch auf die teure und für Finkenwerder weitgehend nutzlose Südtrasse festlegen – schließlich fühlt man sich bei DASA und Eugen Wagners Ortsverein fest im Wort. Dies ist nach Expertenmeinung um so unsinniger, da im Süderelberaum voraussichtlich eine Entlastungsstraße für die B 73 gebaut werden wird. Egal ob als Autobahn (A 26) oder als Bundesstraße (B 73 neu) – eine Extra-Umgehung für Finkenwerder würde so gänzlich überflüssig.

Ein Planer macht sich Mut: „Gebaut werden soll ja frühestens 1999. Bis dahin kann sich die Vernunft vielleicht doch noch durchsetzen.“

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