■ Mit Tschernobyl-Folgen auf du und du: Wald überstrahlt AKW
Stockholm (taz) – Der Tschernobyl-GAU erschwert Schwedens geplanten Ausstieg aus der Atomenergie. Auf diese paradoxe Folge der radioaktiven Wolke von 1986 hat das Strahlenschutzinstitut des Landes aufmerksam gemacht. Nach den Berechnungen des Instituts sind mindestens zehn Prozent des schwedischen Holzbestandes mit so hohen Cäsiumwerten verstrahlt, daß sie erst in frühestens sechzig Jahren ohne vertretbare Gesundheitsgefährdung geschlagen und verbrannt werden könnten.
Ein neues Wärmekraftwerk für Biobrennstoff in der Nähe der nordschwedischen Stadt Gävle – hier wurden vor zehn Jahren bei Rentieren, in Pilzen und Beeren rekordhohe Cäsiumwerte gefunden – hatte eigentliche schon die Betriebsgenehmigung erhalten, als eine Umweltschutzbehörde nach der Cäsiumbelastung fragte. Mit selbst vom Strahlenschutzinstitut zunächst nicht erwartetem Ergebnis: „Das fragliche Wärmekraftwerk“, so Institutsmitarbeiter Gustav Åkerblom, „läßt pro produzierter Energieeinheit über einhundertmal mehr radioaktive Strahlung an die Umgebung ab als ein schwedisches AKW.“
Steige Schweden aus der Atomenergie aus, „hat dies ironischerweise zur Folge, daß wir den radioaktiven Ausstoß erhöhen“, sagt Åkerblom. Auch wenn die sonstigen Gefahren niedriger als bei der Atomkraft seien, so gäbe es doch zusätzlich auch ein „Atommüllproblem“: Die strahlende Asche müßte als Sondermüll entsorgt werden.
Karin Östman, Umweltinspekteurin der Stadt Gäve, ist noch über ein weiteres Problem besorgt: „Wenn schon die Verbrennung in einem großen Kraftwerk mit moderner Rauchgasreinigungsanlage solche Folgen hat, was ist dann erst mit all den Privatkaminen?“ Rund jeder zweite Haushalt in Schweden, vor allem auf dem Land, heizt mit Holz. Reinhard Wolff
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