piwik no script img

Mit Sparhaushalt gegen die Inflation

Polnische Regierung setzt weiter auf ihre Deflationspolitik/ Parlament trägt unpopulären Sparkurs mit  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Trotz heftiger Kritik an den drastischen Sparmaßnahmen hat das polnische Parlament am Samstag den vorläufigen Haushaltsplan für die ersten drei Monate dieses Jahres verabschiedet. Die Abgeordneten ließen die Regierungsvorlage fast unverändert passieren. Vor der Abstimmung hatte der neue Finanzminister Lutkowski bekräftigt, daß der seit zwei Jahren praktizierte rigide Sparkurs ohne Abstriche fortgesetzt werde. Fehler in der Wirtschaftspolitik, die am Anfang des Reformprozesses gemacht worden seien, entgegnete der Minister den Kritikern, könnten keine Lockerung der Finanzen begründen, schon gar nicht mit der Geldpresse. So wurde das Haushaltsdefizit von 17,6 Billionen Zloty (rund 2,5 Mrd. Mark) nicht weiter erhöht, wie es einige Parlamentarier gerne gesehen hätten. Das Defizit, das sich damit auf rund 20 Prozent des Haushaltsvolumens beläuft, soll durch Einsparungen und die Emission von Obligationen finanziert werden. Für die Ausgaben wurden 86,9 Billionen Zloty eingeplant.

Die im Haushalt vorgesehenen Ausgabenkürzungen betreffen insbesondere Subventionen und Sozialausgaben. So werden die Löhne der Bediensteten in den Staatsverwaltungen zunächst für drei Monate nicht mehr der Geldentwertung angepaßt; Einbußen müssen auch die Lohnempfänger der staatlichen Industrie hinnehmen. Die Stempelgebühren werden durchschnittlich um das Dreifache erhöht, manche Verwaltungsstrafen verdoppelt. Auch den Pensionären werden Opfer abverlangt: Die Renten sollen nicht mehr alle drei, sondern nur noch alle sechs Monate der Inflation angeglichen werden. Am härtesten trifft es die Arbeitslosen, die künftig nur noch 36 Prozent ihres bisherigen Durchschnittslohns bekommen. Bislang wurden ihnen in den ersten drei Monaten 70Prozent ausbezahlt; erst nach einem dreiviertel Jahr reduzierte sich der Anteil auf 40Prozent.

Nicht mitmachen wollten die Sejm-Abgeordneten allerdings bei einer Erhöhung der Einkommenssteuer-Obergrenze von 40 auf 50Prozent. Auch mit einem weitgehenden Eingriff in das Handelsgesetzbuch erklärten sie sich nicht einverstanden, demzufolge etwa Gesellschafter persönlich und unbegrenzt für die Steuerschulden ihrer Firma haften sollten.

Die Annahme dieses Sparpakets durch das Parlament zeigt, daß die Regierung nach wie vor eine Mehrheit auch für unpopuläre Entscheidungen hat, und dies, obwohl zahlreiche Abgeordnete und Parteien zuvor eine Erhöhung des Defizits verlangt hatten. Finanzminister Lutkowski erklärte dagegen, die Regierung werde den bisherigen Kurs in der Wirtschaftspolitik beibehalten. Er hatte in mehreren Interviews zwar angekündigt, die Lohnzuwachssteuer verändern und Investitionen mit Steuernachlässen belohnen zu wollen. An der Anti-Inflationspolitik seines Vorgängers solle aber nichts geändert werden.

Die heftigen Auseinandersetzungen im Sejm um das Haushaltsprovisorium sind allerdings nur das Vorspiel für die Debatte um den gesamten Haushalt für 1992, die in den nächsten Wochen stattfinden wird. Dann könnte sich bestätigen, was bereits die Regierung Bielecki erfahren mußte: daß bei erneuten Einnahmeausfällen weitere Ausgabenkürzungen notwendig sein werden. Die zunehmende Staatsverschuldung, die Belastung des Kreditmarkts durch den Staat sowie die drastische Preiserhöhungen im Energiebereich drohen, die Inflation weiter anzuheizen — und zwar auf mehr als die von der Regierung für das erste Quartal 1992 eingeplanten 14 bis 15Prozent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen