■ Mit Schweinkram auf du und du: Tierfabriken im Osten
Berlin (taz) – Ungewöhnlich war gestern die Begrüßung für die Besucher der zur Zeit in Berlin stattfindenden „Grünen Woche“. Das fünf Meter hohe, rosafarbene Schwein „Berta“ grinste am Eingang des Messe- Haupteingangs auf die Berliner herab. Aufgepumpt hatte das Gummivieh der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Sau sah lustig aus, hatte aber ein ernstes Anliegen: „Berta“ wirbt für Fleisch aus artgerechter Tierhaltung.
Weil das immer noch vergleichsweise wenig konsumiert wird, ist die Massentierhaltung weiter auf dem Vormarsch. „Der Trend zu agrarindustriellen Großanlagen ist leider ungebrochen“, sagte Hubert Weiger vom BUND. Allein in Deutschland würden 33 neue Großanlagen für Schweinemast und 23 für Legehennen geplant. In diese Anlagen sollen 4,4 Millionen Legehennen und Masthähnchen sowie 320.000 Mastschweine gleichzeitig gepfercht werden.
Von den 56 geplanten Großanlagen sollen 34 in den neuen Bundesländern entstehen. „Hier sind Genehmigungen offenbar leichter zu bekommen und die Proteste der Bevölkerung schwächer“, vermutete Weiger. Die Investoren kommen vor allem aus den Niederlanden. Dort könnten agrarindustrielle Betriebe kaum noch ausgebaut werden. Die Genehmigungen für die neuen Tierfabriken sind größtenteils noch unter dem früheren Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU) erteilt worden.
Auch die neue Regierung mache keine Anstalten, die Massentierhaltung zu erschweren, beklagte der BUND. „Im Koalitionsvertrag steht noch nicht einmal die Rücknahme der Erleichterung der Massentierhaltung“, sagte Weiger. Die Entscheider vor Ort werden durch die Massenarbeitslosigkeit und die Finanzkrise der Kommunen zunehmend erpreßbar. „Die Agrarindustriellen werden sogar von der Politik hofiert, um Gewerbesteuern einzunehmen und ein paar Jobs zu schaffen.“
Dabei zerstören die neuen Großbetriebe oft die lokalen Produktionsstrukturen. Im mecklenburgischen Neubukow führten maximal 60 neue Stellen in einer geplanten Anlage für 800.000 Legehennen zum Verlust von mindestens 200 Arbeitsplätzen bei umliegenden Hennenhaltern, glaubt Weiger.
Die Berliner, denen nach diesen Infos der Appetit noch nicht komplett verdorben war, konnten gestern die Anregung der BUND-Sau Berta spontan aufgreifen. Auf der Grünen Woche werden zahlreiche Lebensmittel aus artgerechter Tierhaltung angeboten. Die Currywurst vom glücklichen Schwein ist bestimmt auch dabei. Robin Alexander
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