■ Mit Nafta auf du und du: Kanada ziert sich
Berlin/Toronto (taz/WPS) – Der Streit um das nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) bekommt neue Nahrung, diesmal aus Kanada. Der neugewählte kanadische Premierminister Jean Chrétien wünscht Nachverhandlungen des Abkommens, das sein Vorgänger Mulroney, Clintons Vorgänger Bush sowie der mexikanische Präsident Salinas de Gortari ausgehandelt hatten.
Zwar hat das kanadische Parlament den Vertrag schon verabschiedet, aber Rechtskraft erhält er erst, wenn er offiziell durch die Regierung proklamiert wird. Das aber will der neue liberale Premier davon abhängig machen, daß sich noch einige für Kanada günstigere Konditionen heraushandeln lassen. Strittig ist zum Beispiel die Frage, wieviel Freiraum den US-Ölgesellschaften beim Abbau von Energievorkommen im Westen Kanadas eingeräumt wird. Auch um Subventionen und Dumpingpreise für Exporte geht es Chrétien, vor allem bei wichtigen kanadischen Produkten wie Weizen, Stahl und Holz.
Die Politik des neuen kanadischen Premierministers, der Ende nächster Woche sein Amt antritt, folgt einem Trend, der auch in den USA erkennbar ist: Außenpolitik spielt, zumindest im Wahlkampf, eine immer geringere Rolle. Statt dessen rücken die nationalen Interessen in den Vordergrund – Hauptsache, die Probleme heimische Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung werden gelöst. Die Verheißungen, die der nordamerikanische Binnenmarkt mit seinen 360 Millionen Konsumenten bieten mag, stehen dagegen in weiter Ferne.
Chrétiens Forderungen würden wahrscheinlich nicht so ernst genommen, wenn die USA das Abkommen schon ratifiziert hätten. Aber obwohl der Freihandelsvertrag am 1. Januar 1994 in Kraft treten soll, findet die allererste Abstimmung im Kongreß erst am 17.November statt. Und derzeit ist noch keine klare Mehrheit für oder gegen Nafta erkennbar: Werden neue Jobs geschaffen oder vielmehr Millionen von Arbeitsplätzen aus den USA nach Mexiko verlegt? Somit droht dem Vertrag jetzt von zwei Seiten Gefahr: von der kanadischen Regierung und dem US-Kongreß. Harte Zeiten für den Nafta-Befürworter Clinton. lieb
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