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Archiv-Artikel

Mit Kalauern ins Arbeitsamt

Manchmal ist weniger mehr. Das „Bühnlein Brillant“ in Köln entwickelte ein Trainingsprogramm für Arbeitslose

Manchmal ist Theater vor allem eines: schrecklich gut gemeint. Im Stück „Die Bewerbung“ geben sich die Mitglieder des Kölner Ensembles Bühnlein Brillant bewusst karitativ: Ein Trainingsprogramm für Arbeitslose soll der Theaterabend sein, ein Motivationsseminar für Menschen ohne Stelle und damit ohne rechten Platz im Leben, ein Wegweiser in Richtung der ganz persönlichen Bewerbungsdramaturgie.

Gut, vielleicht wollen die SchauspielerInnen nicht wirklich helfen, vielleicht ist dieses Bühnen-Coaching auch nicht ganz ernst zu nehmen, aber immerhin meint die Inszenierung es gut mit dem Geist. Denn die Stückvorlage von Thomas Keck spricht die Intelligenz der Zuschauer an, indem sie die moderne Bewerbungssituation als die Farce zeigt, die sie ist: Ein außer Kontrolle geratener Versuch, sich durch extreme Ausdauer, völlige Unterwerfung oder rohe Gewalt irgendeinen grotesken Job an Land zu ziehen. Um auf diesem gnadenlosen Terrain nicht zu versagen, besucht der Zuschauer das Seminar im Theatersaal, denn nur hier gibt es die nötigen Tipps zur optimalen Selbstdarstellung in der Bewerbungshölle.

Da legt die angehende „Individualbeseitigerin“ vor dem verdutzten Personalchef eine Probe ihres Könnens ab. Die Sekretärin muss dran glauben, aber immerhin hat die Bewerberin echtes Engagement bewiesen. Da machen die Damen von der „Gesellschaft zur progressiven Subordinierung des Mannes e.V.“ einen Hausbesuch beim männlichen Bewerber, stellen seine Wohnung auf den Kopf, foltern und demütigen ihn, aber schließlich bekommt er die Stelle als Sekretär. Und da wartet jemand vierzig Jahre im Flur des Personalbüros auf einen Posten als „Kaprotinenkalkschüttler“, den er dann ablehnt. Er hat seine wahre Berufung entdeckt – das Warten.

Aus dieser geistreichen Handlung könnte ein richtig schöner Theaterabend werden, wenn es die Akteure um Regisseurin Corinna Nilson nicht so schrecklich gut meinen würden. Das Ensemble ist aus einem Schauspielkurs der Kölner Comedia hervorgegangen und wie die Inszenierung zeigt, kann zuviel Engagement im Seminar eben in die Irre führen. So zeigen sie, was sie alles gelernt haben und um ihr Publikum zu erfreuen, integrieren die Akteure die neckische Improvisationen in die Handlung, wie sie jeder kennt, der selbst schon einmal Theater gespielt hat.

Das soll die Handlung auflockern, dient aber nur dazu, sie zu zerfasern, und darunter leidet der eigentliche Erzählstrang. Während die Schauspieler zwischen überdimensionierten Tischen und Stühlen mit echten und falschen Höhenunterschieden spielen, bekommen sie nämlich Probleme mit dem Tempo und bauen eine Länge nach der anderen in den Spielverlauf ein, der eigentlich sehr spannend ist. Statt in einer vermeintlich witzigen Conférence Übungen aus dem Probenalltag auf die Bühne zu holen, hätte die Regisseurin in der Kernhandlung besser etwas auf die Tube gedrückt – und auch gleich die großen Schwankungen im Spiel ihrer Darsteller ausgeglichen. Die spielen nämlich von subtil-schön bis albern-übel die ganze Palette aus und greifen leider auch jeden Kalauer auf, der am Bühnenrand liegt.

Als absurde Revue und farceskes Kabarett ist dieser Abend geplant. Doch Regie und Ensemble meinen es zu gut mit dem aktuellen Thema und der geistreichen Vorlage. Heraus kommt etwas sehr Langatmiges, Unbeholfenes, fast wie ein echtes Seminar. Schade. HOLGER MÖHLMANN

So, 16:00 Uhr, Theater im Hof, KölnInfos: 0221-356 81 22