: Mit Ironie der Welt trotzen
■ Ironisierte Country- und Bluesphantasien über Mord, Weltflucht und das Monströse des Alltags: Catpower von dem New Yorker Matador-Label
Seltsame Situation, da drüben in Amerika. Röhrenjeans und Mainstream-Rock taugen im Marktsegment der sogenannten „starken Frauen“ immer noch zu schockierend vorhersehbaren Verkaufserfolgen. Aber im Untergrund wird auch weiterhin an genuin weiblichen Rockidiomen gearbeitet – zum Teil mit unvorhersehbaren Verkaufserfolgen.
Unter dem Banner des New Yorker Matador-Labels versammeln sich einige der interessantesten Künstlerinnen dieses Bereichs – jedoch ohne sich auf eine verbindliche Poetologie zu einigen. Die Veteranin Jean Smith von Mecca Normal, für viele die Mutter der Riot Grrrls, versteht Pop als Mittel zu AgitProp. Liz Phair, Megaseller von Matador, tritt mit verstörend aggressiver Sexualität auf, wendet die Branchenweisheit „Sex Sells“ selbstbestimmt zu ihren Gunsten an. Und Heliums Mary Timony fahndet in einer Mischung aus archaischer Metaphorik und hypermodernem Slang nach einer eigenen Sprache.
Chan Marshall von Cat Power, die dieser Tage ihren Einstand bei Matador geben, erweitert den Kreis. Obwohl die gespielte Empörung im Album-Titel What Would The Community Think oder Songs wie „Good Clean Fun“ eine Nähe zur oft ironisch auftrumpfenden Liz Phair suggerieren, steht Chan Marshall dem sinistren Archaismus einer Mary Timony näher.
Mal treibt die Erzählerin – den Tod phantasierend – mit ihrem Lover in einem Fluß, mal versteckt sie sich mit ihm vor der Welt in einem Loch. Aufregend sind die Stücke, weil sie das Monströse der Ur-Bilder ins Banale des Alltags schmuggeln. Die Stimme der 23jährigen, die auf Pressefotos drollig lacht, tremoliert bei dieser heiklen Transaktion in düsterer Vorahnung. Da verwundert es nicht, daß sie auf What Would The Community Think einen Song vom Low-Fi-Solitär Bill Callahan alias Smog covert, nämlich „Bathospere“ – Hymne aller Desillusionierten.
Auch Chan Marshalls Werdegang ist very low-fi. Ein Freund schenkte ihr einst eine Gitarre, schon wenig später hatte sie ihre erste Single veröffentlicht. Jetzt, keine fünf Jahre danach, bringt die Wahl-New-Yorkerin schon ihr drittes Langspielwerk raus. Cat Power, auch da gibt es Ähnlichkeiten zu Smog, ist das offen angelegte Projekt eines Menschen mit Hilfe einiger Wahlverwandter. Die Songs auf What Would The Community Think, die Schnörkel von Country und Blues aufgreifen, ohne deren narrativen Techniken verfallen zu sein, werden von Feedbacks des Gitarristen Tim Foljahn und dem sporadischen Gepolter des Sonic-Youth-Drummers Steve Shelley angereichert. Freitag nacht muß sich Chan Marshall allerdings alleine gegen das Publikum von Heinz Karmer's Tanzcafé behaupten.
Christian Buß
Fr, 30. August, 23 Uhr, Heinz Karmer's Tanzcafé
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