■ Mit Inflationsraten auf du und du: Licht im Warenkorb
Berlin (taz) – Was kostet Licht? Das läßt sich noch ganz einfach aus dem Preis einer Glühbirne und dem Preis von Strom errechnen. Und wie verändert sich der Preis von Licht, wenn man eine Energiesparlampe benutzt, die zwar zehnmal mehr kostet als eine normale Glühbirne, aber dafür eine zehnfache Lebensdauer hat und nur ein Fünftel der Energie verbraucht? Antwort: Der Preis für dieselbe Lichtmenge sinkt um 80 Prozent.
In der Inflationsstatistik wird diese Einsparung jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, kritisiert ein Wissenschaftler der Yale University namens William Nordhaus. Die Statistiker sehen nur: Glühbirnen sind zehnmal teurer geworden.
Nordhaus untersuchte die Preisentwicklung des Lichts über die Jahrhunderte hinweg, von der griechischen Öllampe über Kerzen, Gaslampen bis hin zu den verschiedenen Arten elektrischer Beleuchtung. Er berechnete, wieviel zu jeder Zeit eine bestimmte Lichtmenge – gemessen in Lumen – kostete. Eine Kerze strahlt mit etwa 13 Lumen, eine 100-Watt- Lampe mit mindestens 1.200. Ergebnis: Der Preis für 1.000 Lumen sank von 40 Cents im Jahr 1800 auf etwa ein Zehntel Cent heute, das ist ein Preisrutsch von 99,75 Prozent.
Die übliche Rechnung, die den Warenpreis und nicht die Leistungen als Grundlage nimmt, kommt auf eine Preissteigerung von 180 Prozent. Die Nordhaus-Inflationsrate für Licht wäre also pro Jahr um 3,6 Prozent niedriger als die herkömmlich berechnete, statistische Geldentwertung.
Alles wird immer teurer? Diese oft gehörte Klage wäre demnach nicht berechtigt. Tatsächlich werden manche Dinge wirklich teurer, Quadratmetermieten zum Beispiel oder auch Karotten und Kartoffeln. Doch Nordhaus zählt viele Güter auf, die leistungsfähiger und damit relativ billiger geworden sind: Autos oder Züge, Telefone oder Fotokopierer etwa. Im durchschnittlichen Warenkorb, auf dem die traditionellen Inflationsberechnungen beruhen, liegt alles durcheinander. Nordhaus sortierte den Inhalt und schätzte ab, wieweit sich die Leistung einzelner Waren im Laufe der Zeit verändert. Legt man nun die Nordhaussche Inflationsrate zugrunde, hätte sich die Kaufkraft eines Durchschnittsamerikaners seit 1800 um den Faktor 52 erhöht. Konventionelle Statistiker gehen dagegen nur von einer Verdreizehnfachung aus.
Nordhaus jubelt dabei über den technischen Fortschritt, der den Lebenstandard erhöht habe. Nörglerinnen beschleichen gewisse Zweifel. Sie fragen, wessen Lebensstandard wirklich steigt, wenn man Briefe auf einem Computer schreibt, der auch noch die Flugroute von Marsraketen berechnen könnte? Nicola Liebert
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