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Mit Gott gegen Werteverlust

■ Anhörung im Landtag über erfolgreiche Volksinitiative

Der umstrittene Gottesbezug in der niedersächsischen Verfassung soll nach Ansicht seiner Befürworter Werteverlust und Zukunftsängste bremsen. Durch eine Festschreibung der Verantwortung politischen Handelns vor Gott werde den Menschen die Orientierung im Leben erleichtert, sagten Vertreter der ersten erfolgreichen niedersächsischen Volksinitiative. Ihre Argumente wurden erstmalig am Mittwoch in Hannover vor dem Rechts- und Verfassungsausschuß des Landtages offiziell angehört.

Der Vorsitzende des Landeskatholikenausschusses, Heinz-Wilhelm Brockmann, der Professor für Evangelische Theologie der Osnabrücker Universität, Friedhelm Krüger, und der Vorsitzende der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, Michael Fürst, betonten, Staat und Politik seien an Werte gebunden, die nicht vom Menschen festgelegt worden seien. Diese dürften auch nicht von demokratischen Mehrheiten außer Kraft gesetzt werden.

Die drei Repäsentanten hatten im Januar eine Sammlung mit 120 000 Unterschriften von Bürgern eingereicht, die für eine Ergänzung der niedersächsischen Verfassung um die Festschreibung der „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ eintreten. Der Landeswahlleiter hat davon 108 000 Unterschriften als gültig anerkannt. Für eine erfolgreiche Volksinitiative hätten bereits 70 000 Unterschriften ausgereicht. Der Landtag hatte erst im vergangenen Mai eine neue Verfassung ohne Gottesbezug verabschiedet.

Brockmann sagte, in Deutschland sei der gesellschaftliche Grundkonsens Untersuchungen zufolge geringer als in anderen europäischen Ländern. Die Gefahr der Polarisierung der Gesellschaft sei hier größer. Ein Gottesbezug in der Verfassung sei ein Schritt hin zu einer gemeinsamen Orientierung. Der SPD-Abgeordnete Thomas Oppermann wandte ein, in der niedersächsischen Verfassung seien durch den Verweis auf Grundwerte und Menschenrechte bereits ethische Normen vorhanden. Das Problem sei der Werteverlust in der Gesellschaft, nicht aber in der Verfassung.

Der Ausschußvorsitzende Johann-Tönjes Cassens (CDU) fragte, ob durch einen Gottesbezug in der Verfassung die Nichtgläubigen ausgeklammert würden. Krüger meinte dazu, es sei keine Überforderung der Andersdenkenden, wenn ein Gottesbezug in die Verfassung aufgenommen werde. Schließlich glaubten einer Umfrage zufolge 90 Prozent der Niedersachsen an Gott. Für Bündnis 90/Die Grünen warnte deren Abgeordneter Hannes Kempmann davor, daß es viele geschichtliche Beispiele für im Namen Gottes begangene Verbrechen gebe. Der Ausschuß will am kommenden Mittwoch weiter über die Volksinitiative beraten. Nach Angaben von Cassens soll der Gottesbezug im Mai im Landtag diskutiert werden. dpa

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